Wie Frau Merkel Deutschland und die EU ins Schlamassel redet
NATO, Minsk und NordStream - und wie alles zusammenhängt...
“Reden ist Silber – Schweigen ist Gold”
Was trieb die Kanzlerin um, ihre Russland-Politik erneut erklären zu wollen? Diesmal gegenüber der ZEIT. Warum schweigt sie nicht? Sie hatte doch bereits allen klargemacht, dass sie sich nicht entschuldigen wird. Sie hatte bereits darauf bestanden, dass sie immer richtig gehandelt hätte, im jeweiligen geschichtlichen Kontext.
Wäre dem so, könnte sie sich gelassen zurücklehnen. Jeder Mensch handelt in seiner Zeit.
In der Rückschau ist man immer klüger. Aber nein, Merkel besteht darauf, dass sie auch in der Rückschau alles richtig gemacht hätte.
Die politische Wirkung ihrer wiederholten Aussagen ist jedoch verheerend: Niemals ging es um Frieden in Europa. Das Minsk-Abkommen war, so Frau Merkel gegenüber der ZEIT, nur eine Scharade. Sie hätte Zeit kaufen wollen, für die Ukraine.
Warum tat sie das?
Was trieb sie dazu, sich nun als „Beschützerin“ der Ukraine zu präsentieren? Einerseits wollte sie den europäischen Frieden wahren, aber andererseits „Zeit kaufen“ für die Ukraine, vor dem unvermeidlichen russischen Angriff? Sie benutzte die These vom „aggressiven“ Russland.
Aber selbst der europäische Mainstream hat Probleme, ihre Zustimmung zu NordStream 2 und ihre heutige Sicht auf die Minsk -Abkommen zu integrieren: Putin nicht verärgern, damit er bei NordStream 2 sich gut fühlt und die Ukraine nicht gleich angreift?
Unabhängig von der Interessenlage:
Logischerweise steht einem Zeitkauf für die Ukraine ein Zeitkauf für das angeblich aggressive Russland gegenüber, das sich nun auch besser auf den Krieg vorbereiten konnte. Das bemerkte auch umgehend ein norwegischer ehemaliger NATO-Beamter, der für die „Euromaidan press“ schrieb: Zeitkaufen – wo doch gleichzeitig die deutsche Strategie lautete, keine letalen Waffen in die Ukraine zu senden?
https://ukrainetoday.org/2022/12/11/the-minsk-agreements-and-merkels-political-amnesia/
Es ist schon fast gleichgültig, ob Merkel log oder die Wahrheit sagte. Da das Minsk-Abkommen international als der Weg zum Frieden akzeptiert war, hat sie alles kaputt gemacht: ihre Reputation, die der neuen Bundesregierung, die der EU, die des Westens.
Niemand weiß mehr, was er glauben soll: die Erklärungen von einst, oder die Erklärungen von heute?
Putin hat sich inzwischen geäußert, betroffen – das hätte er nicht gedacht, nicht von Angela Merkel, nicht von Deutschland. Er präsentierte sich als hintergangen. Vielleicht war er betroffen. Vielleicht nutzte er aber auch nur die nun entstandene Situation aus. In jedem Fall werden alle Verhandlungen, die der Westen mit irgendjemandem auf dieser Welt führt, nun schwieriger.
Wenn man sich als Lügner outet, wissen das im globalen Dorf immer alle.
Es ist völlig unklar, ob man in Deutschland überhaupt schon verstanden hat, was Frau Merkel angerichtet hat.
Politisch macht die neu entdeckte Redefreudigkeit überhaupt keinen Sinn, es sei denn, man begreift sie als Zerstörerin.
Es ist völlig auszuschließen, dass Frau Merkel irgendetwas „aus Versehen“ sagte.
Sie war zu keinem Zeitpunkt ihrer Kanzlerschaft eine Dumme. Sie war vorsichtig, pragmatisch, sie fuhr häufig „auf Sicht“. Aber sie hat auch, wenn sie es für notwendig hielt, „Grundsatz“-Politik betrieben: Ein Ja zur Allianz mit den USA im Irak-Krieg (glücklicherweise war sie damals in der Opposition), ein Nein zur EU-Mitgliedschaft der Türkei, ein Ja zum Aus für die Atomenergieproduktion in Deutschland, ein Ja zur Aufnahme von Flüchtlingen durch Deutschland, ein Ja zu Nord Stream 2. Jede dieser Entscheidungen hat sie mit Zähnen und Klauen verteidigt. (Irak hat sie später verleugnet).
Ich glaubte, es ginge ihr darum, wie sie erinnert werden möchte. Inzwischen fürchte ich, ich lag damit falsch. Merkel geht es um die Gegenwart und um die Zukunft.
Sie hat inzwischen mehrere Versionen ihres Verhaltens auf dem Nato-Gipfel in Bukarest 2008 abgeliefert. Egal, was sie heute erzählt: Merkel war dagegen, dass die Ukraine NATO-Mitglied wird. Aber Merkel war nicht stark genug, die Konfrontation mit den USA auszuhalten. Sie knickte in Bukarest 2008 ein, so wie auch Frankreich einknickte.
Grundsätzlich hat sie damals, gegen die eigene Überzeugung, einer NATO-Mitgliedschaft der Ukraine zugestimmt.
Noch auf der Kommandeurstagung der Bundeswehr im März 2008 klang Frau Merkel ganz vernünftig.-Da benannte sie (in Gegenwart des NATO-Generalsekretärs) alle Probleme, die später aufschienen.
Hat sie in dieser Rede gelogen? Oder will sie sich dem nicht stellen, dass sie in Bukarest die USA nicht stoppen konnte? Sarkozy war auch zu schwach.
Indem sie immer wieder darüber spricht, bleibt aktuell, dass dieser Beschluss eine ganz entscheidende Weichenstellung in den Beziehungen zu Russland war.
Gleichzeitig stellt sie dadurch auch immer wieder die Frage, wieviel deutsche Handlungsfreiheit im Verhältnis zu den USA existiert. Tatsächlich grenzt sie sich sogar vom gegenwärtigen deutschen Mainstream ab, der den USA blind hinterherläuft.
Andererseits ist da nun ihre neue Interpretation des Minsk-Abkommens als „Zeitkauf“. Sie muss doch wissen, dass diese Interpretation weltweit nur so verstanden werden kann, dass es sich um einen kolossalen diplomatischen Betrug handelte.
Es ist eine Sache, wenn die Ukraine erklärt, dass die Umsetzung von Minsk niemals auf der Agenda stand, aber etwas ganz anderes, wenn die Ko-Erfinderin von Minsk es zum Täuschungsmanöver erklärt. Obwohl die gleiche Person noch vor wenigen Tagen erklärte, sie hätte ein eigenständiges europäisches Gesprächsformat mit Putin gesucht, wäre aber im Rat gescheitert.
Merkel muss wissen, dass ihr Hin und Her in der nachträglichen Erklärung ihrer politischen Entscheidungen alles desavouiert: Sie erklärt alles zur Lüge.
Aber zu den politischen Kindern von Merkel gehören nicht nur die beiden Minsk-Abkommen. Sie habe das „mit politischer Leidenschaft betrieben“ erinnerte die ZEIT 2015.
Auch NordStream 2 war ein Merkel-Kind. Sie hat an diesem Projekt gehangen. Weil es gut für Deutschland war. (Darauf beruhte das deutsche Wirtschaftsmodell, was selbst Habeck nicht bestreitet, der verlangt die systemische Änderung.).
Wenn es irgendetwas über die letzten Jahre der Kanzlerschaft der Angela Merkel zu sagen gibt, was strategische Bedeutung hatte, dann, dass sie an NordStream 2 festhielt, ihrem anderen politischen Baby.
Gegen US-Sanktionen, gegen Trump, gegen deutsche Stimmen, selbst in der eigenen Partei. Obwohl sie sich gleichzeitig und zunehmend klarer als Gegnerin Russlands positionierte.
Sie hat sich öffentlich wegen NordStream 2 über Putin lustig gemacht („meine Röhren“), aber sie wollte das Projekt.
Sie hat allerdings mit den USA das Abkommen getroffen, das NordStream 2 sterben wird, wenn Russland die Ukraine angreifen sollte.
Sie hat ihr Baby nicht gerettet. Sie war zu schwach. Könnte es sein, dass die Frau Bundeskanzlerin a.D. weder sich noch anderen verzeiht, dass ihr Baby umgebracht wurde?
Denn was immer Frau Merkel inzwischen erzählt, es ist eine Bilanz tragischen Scheiterns, und nun wird die Erde verbrannt..
Wenn man die Bruchlinien und Entscheidungssituationen Merkelscher Politik genauer in Augenschein nimmt, fallen die Glaubensbekenntnisse auf, die wie aus einem Musterkoffer hervorgezogenen wurden, um möglichst große Teile des Wahlvolkes hinter sich zu versammeln. „Marktkonform“ war gut, „Transparenz“ und „Wettbewerbsfähigkeit“ konnte nahezu jeder Wähler abnicken. Im Jahr 2021 – in ihrem letzten Regierungsjahr - ignorierte sie die halbleeren Gaslager, während andere europäische Länder mit staatlichen Maßnahmen gegenzusteuern versuchten. Nach dem letzten EU-Gipfel schrieb sie ihren Kollegen in Europa sogar ins Stammbuch, sie sollten für – was wohl – mehr „Transparenz und Wettbewerb“ sorgen. Ob alle genickt haben, wurde nicht berichtet. Aber die Presse war kurzfristig (wie so oft) auf ihrer Seite. Dass der Energie-Markt in der EU eigentlich gar nicht existiert, weil das teuerste Kraftwerk nach den Regeln den Preis vorgibt, wurde ausgeblendet. Und Merkel nutzte die Unwissenheit - Markt klang einfach verführerisch. Eine Lösung bot ihre Darbietung nicht, kam aber ganz gut an.
Jahre zuvor bedrohte Fukushima ihre Wiederwahl. Angesichts der sich verschiebenden Mehrheiten waren auch deutsche Kernkraftwerke plötzlich nicht mehr sicher, die (laut Merkel) eigentlich sicher waren. Aber die Wähler waren nun einmal durch den Tsunami zu den Atomenergiegegnern gespült worden, die Kernschmelze in Japan bedrohte ihre Kanzlerschaft; und sie hatte gelernt, wie man Mehrheiten fängt…
Bei Kampfsportlern ist die „Meidbewegung“ ein wichtiges Defensivmittel, um nicht getroffen zu werden. So gelang ihr verbales Wegducken im Abhörskandal mit dem empörten Satz: „Abhören unter Freunden, das geht gar nicht!“ Alle nickten, manche sicher beeindruckt, weil Frau Merkel zum ersten Mal emotional wurde; politische Konsequenzen zog sie aber nicht. Sie stand „in Treue fest“ zur atlantischen "Freundschaft". Und die meisten Bürger waren beruhigt angesichts so authentischer Regungen. Unterstützung für Edgar Snowden oder Julian Assange waren für die Stasi-Erfahrene Merkel dagegen nie ein Gebot, auch nicht nach ihrer Regierungszeit. Die westlichen Werte gehörten zwar fest zur Dekoration der Bühne, aber dabei ließ sie es auch immer bewenden. Dass Deutschland und Europa trotz dieser geheimdienstlichen Übergriffe nicht einmal befähigt wurden, ein eigenes Cloudsystem aufzubauen oder eine eigene Suchmaschine zu entwickeln, ist ein irreparabler Schaden für die Unabhängigkeit unseres Landes in der digitalen Zukunft. Mitverantwortung trägt sie auch dafür.
Gut verinnerlichter Opportunismus – wie Columba sagt - kombiniert mit Gespür für eigene Risiken sind zwar eine brauchbare Überlebensstrategie aber eben keine gute Politik; die muss auf die Zukunft gerichtet sein. Das war sie bei ihr nur in Bezug auf die eigene Person.
Sie hätte es fast geschafft, weltweit als Klimapolitikerin durchzugehen, vielleicht sogar als Friedenspolitikerin, wenn jetzt nicht ihre eigene Redseligkeit im Blick zurück einen Strich durch diese Rechnung zöge. Worte schaffen eigene Wirklichkeiten, Deutungsmuster und Konsequenzen, gerade im Ringen um friedliche Lösungen in Konflikten, in denen bereits geschossen und gestorben wird. Vermutlich spielen Vertrauen, Klarheit und Glaubwürdigkeit wohl nie eine größere Rolle. Ihre Äußerungen (zu Minsk I und II) werden nicht nur im aktuellen Krieg die Verhandlungen um einen Waffenstillstand oder um Frieden belasten. Rückblickend Friedensverhandlungen als besonders gelungene Täuschung zu bezeichnen mag spieltheoretisch durchgehen und am Computer keinen Schaden anrichten; im wahren Leben könnte der Schaden unabsehbar sein.
Ich halte Merkel eigentlich eher für eine gnadenlose Opportunistin. Ich erinnere mich an die Gesprächsrunde mit dem weinenden syrischen Mädchen, dem sie ungerührt erzählte, dass man eben nicht jeden herein lassen könne. Es gab einen ziemlichen Shitstorm und kurz danach die 180°-Wende, auch angesichts der Bilder der Elendstrecks. Nachdem sie das Problem dann den Bürgern aufgehalst hatte und die Flüchtlinge vor allem in armen Vierteln untergebracht wurden, -die reichen Bürger Hamburgs z.B. machten sich in der Form Sorgen um die Heimatlosen, als sie meinten, die würden sich in ihrem Viertel sicher nicht wohl fühlen, weil es da kein ALDI gäbe-, kam wieder die Kehrtwende, jetzt dürfen die EU-Grenzländer das Problem ausbaden und unsere vielgerühmten Werte werden an den Außengrenzen heldenhaft verteidigt gegen Menschen die auffällig dunklere Haut und schwarze Haare haben.
Ähnlich lief es bei der Atomkraft, erst aus dem Ausstieg ausgestiegen, dann nach Fukushima plötzlich der Ausstieg aus dem Wiedereinstieg oder auch umgekehrt.
Und jetzt, nachdem unsere grandiosen Medien am liebsten die Entspannungspolitik Brandts als fatalen Irrtum darstellen und bald sicher schon als perfide russische oder Putin'sche Strategie entlarven werden, muss Merkel doch klarstellen, dass sie nie diesem Teufel in Menschengestalt auf den Leim gegangen ist und in strategischer Scharfsicht diesen Krieg und die, aber sowas von imperialistischen Absichten Putins voraussah und die Ukraine entsprechend vorbereitete bzw. sich vorbereiten ließ.
Schließlich gab es vor und zur Zeit des Minsk-Abkommens große Empörung über die einseitige Berichterstattung, da musste man noch den Verhandlungen den Vorzug geben, nachdem die Bürger nun seit fast 20 Jahren weich gekocht wurden mit dieser Propaganda, war die Zeit reif für den Krieg und damit musste man halt rückwirkend die alte Politik zum fatalen Irrtum oder zur intelligenten Strategie erklären, damit die Unterwerfung durch den Hegemon nicht allzu offensichtlich wird.
Und dass der Westen lügt, "wenn er die Hand reicht", ist ja eigentlich nichts wirklich Neues. Das mussten schon viele erfahren und dass er besonders in der Gestalt des Hegemons lügt, wenn er Kriege anzettelt um "seine" Ressourcen zu sichern, haben auch schon viele Länder erfahren müssen. Wer glaubt dem Westen eigentlich überhaupt noch?