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So wahr, so beklemmend ist dieser Aufsatz. Bei dem ganzen Einheitsgedödel ist die ganze Geschichtsvergessenheit der politischen Eliten zutage getreten. Gäbe es ein wirklich vereintes Deutschland, gäbe es auch eine gemeinsame Kultur, keine "neuen" Bundesländer mehr. Als ehemalger Niedersachse, der Kindheit und Jugend im "Zonenrandgebiet", 1,5km von Stacheldraht und Mienengürtel entfernt gewohnt hat, ist es nach meinem Gefühl bedrückend, dass es so wenig kulturelle Impulse aus dieser "Wiedervereinigung" gab. Auch sind Gespräche über den wahren Ursprung und Beginn der kriegerischen Auseinandersetzung in der Ukraine gar nicht möglich. Wenn es also "normal" ist, dass man für den Versuch über Usachen und Verhältnisse in der Ukraine zu sprechen und man dafür denunziert und als "Russenfreund“ und "Putinversteher" beschipft wird, kann ich nichts Positives erkennen. Es macht mich auch besonders betroffen und wütend, weil ich seit fast 25 Jahren mit einer Russin verheiratet bin und wir und unsere Kinder und Enkel mit so einer latenten Russenfeindlichkeit niemals gerechnt hätten.

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Krysztof's avatar

Herzlichen Dank für die wie immer sehr gute Zusammenfassung der Ereignisse, die ich um zwei m.E. wichtige Quellen mit tadellosem transatlantischem Leumund ergänzen möchte.

1) Zur Diskussion um die NATO Osterweiterung gibt einen sehr interesssanten Artikel von Itzkowitz, auf den ich durch Noam Chomsky (sic!) aufmerksam gemacht wurde [1]: Er schreibt, dass es das Versprechen "not one inch to the east" unzweifelhaft gegeben hat und das auch allgemein anerkannt ist. Der Kern der Debatte ist aber die Frage, was als Übereinkunft in der Weltpolitik gelten kann. Die Auffassung, dass nur formale schriftliche Verträge gültige Absprachen sind, ignoriert die Bedeutung informeller mündlicher Absprachen zur Konflikteindämmung, insbeondere in der Diplomatie des Kalten Krieges. Er schreibt (p. 17) : "[...] if private and unwritten discussions are menaingless, then diplomacy itself would be an unnecessary and fruitless exercise.".

2) Dass in den 90er Jahren der Kalte Krieg überwunden wurde, ist zwar eine in Europa verbreitete Deutung, in den USA ist aber auch die Auffassung verbreitet, dass der Kalte Krieg "gewonnen" wurde. Erstmals ist mir das 2014 bei John Hulsmann begegnet ("The weary West has forgotten how it won the Cold War" [1]) und dann in der Ankündigung Victoria Nulands 2020 in "Foreign Affairs" einer "Rückbesinnung auf die Staatskunst mit der der kalte Krieg gewonnen wurde" [3]. Leider schrieb sie nicht, was sie damit meinte (sie ging anscheinend davon aus, dass es die Leser wissen), so dass man dafür andere Quellen zu Rate ziehen muss. Eine gute Zusammenfassung findet man bei Josh Clark [4]: Diejenigen, die den Kalten Krieg als "gewonnen" betrachten gehen davon aus, dass die "Staatskunst", die dazu führte, zum einen Stellvertreterkriege waren, insbesondere in Afghanistan, und zum anderen der für die Sowjetunion ruinöse Rüstungswettlauf.

Auch wenn es hier nur weinige Leser gibt (insbesondere nachdem der Artikel schon ein paar Tage alt ist), sind das vielleicht doch für den einen oder die andere interessante und zitierfähige Quellen.

[1] https://www.belfercenter.org/publication/deal-or-no-deal-end-cold-war-and-us-offer-limit-nato-expansion

[2] https://www.cityam.com/fall-berlin-wall-weary-west-has-forgotten-how-it-won-cold-war/

[3] https://www.foreignaffairs.com/articles/russian-federation/2020-06-09/pinning-down-putin

[4] https://history.howstuffworks.com/history-vs-myth/who-won-cold-war.htm

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