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"Foreign Affairs" fahren (wie auch die NZZ vor einigen Tagen) die übliche Taktik westlicher Medien, die Deutungshoheit über etwas zu gewinnen, was man erst abgestritten und dann mit Unbelegtem (hier "Butscha") erklärt hat, was sich aber nun nicht mehr verheimlichen lässt (wie bei "not one inch").

Von einer "verspielten Chance auf Frieden" zu sprechen deutet trotzdem auf viel Optimismus.

Naftali Bennett sagte im Interview, er habe die Chancen für einen Waffenstillstand (!) auf 50:50 geschätzt.

David Arachamjia, der Leiter der ukrainischen Delegation, sagte im Interview mit Natalya Moseychuk, die Ukraine habe befürchtet, dass Russland auf Zeit spiele, um später "besser vorbereitet" zurückzukommen. (Man habe darüber aber nicht weiter nachdenken müssen, da dann ja Johnson gekommen sei und gesagt habe, man unterschreibe gar nichts und kämpfe weiter.) Laut Arachamjias Darstellung habe Entnazifizierung für Russland eine sehr untergeordnete Rolle gespielt ("Blabla"), in der Hauptsache sei es um die Rechte der Ostukrainer gegangen und um den Nichtbeitritt zur NATO. Letzteres sei aber ein heikler Punkt, da dazu wieder die Verfassung geändert werden müsste.

Zu der schwierigen Frage Frage nach westlichen Garantien zur Absicherung brachte übrigens laut Bennett er selbst die Idee ein, dass Russland der Ukraine eine verteidigungsfähige Armee zubilligen (und m.E. wahrscheinlich auch bezahlen) solle. Es war wohl zudem die Rede davon, dass die Ukraine der EU beitreten könne, die ja auch eine Klausel zur gegenseitigen militärischen Unterstützung kennt.

Könnte man darauf heute eine Friedenslösung bauen? Das Mindeste für Russland dürfte die Neutralität der Ukraine sowie die Anerkennung der Krim und (unter Umständen nach einem erneuten Referendum?) der sich nun zu Russland bekennenden Oblaste sein. Putin hat wiederholt gesagt, dass Ukrainer und Russen ein Volk sind, er wäre wohl im Sinne des künftigen Zusammenlebens zu recht weitreichenden Zugeständnissen bereit, aber auch er muss letztendlich seinen Leuten erklären können, wofür so viele Russen gestorben sind.

Die Frage ist, wie eigentlich die Neutralität der Ukraine in einem Vertrag garantiert werden soll - die war ja eigentlich durch das Budapester Memorandum (und die ukr. Verfassung) bereits festgeschrieben und wurde dennoch Makulatur. Würde Russland einem solchen Vertrag tatsächlich trauen nach den Erfahrungen mit Minsk 2 und dem Aufkündigen (bzw in mind. einem Fall dem Bruch) fast aller militärstrategischen Verträge durch die USA? Und wer sollte einen Bruch dieses Vertrages dann ahnden? Die UNO vielleicht, die trotz Resolution 2202 noch nicht einmal bei Frau Merkel und Herrn Hollande vorstellig geworden ist wegen ihrer Vergehen - geschweige denn bei Herrn Selensky, der schon bei der Unterzeichnung des Abkommens vor unterdrücktem Lachen fast geplatzt wäre?

Ist es da für Russland nicht logischer, langsam bis Odessa vorzustoßen und damit das Schwarze Meer zu sichern? Den Rest der Ukraine in einem völlig unsicheren Status dem Westen zu überlassen, damit der jahrzehntelang Geld in ein Fass ohne Boden schütten und wirtschaftlich auf absehbare Zeit nicht in der Lage sein wird, Russland zu gefährden?

Und wer soll Friedensgespräche anstoßen? Die USA?

Warum sollte die US-Regierung Frieden wollen? Gerade jetzt, wo absehbar ist, dass zumindest große Teile der Ukraine irgendwann wieder Beziehungen welcher Art auch immer zu Russland haben werden, macht es doch Sinn, die Bevölkerung und die Wirtschaft beider Länder so lange wie möglich bluten zu lassen, zumal man damit auch noch die Taschen der Rüstungsindustrie (und die eigenen?) füllt und ein paar Arbeitsplätze sichert.

Europa? Muss tun, was die US-Regierung diktiert, sonst... (Nordstream 2 lässt grüßen).

Die Ukraine? Selensky nähert sich bei einem Friedensschluss (der sich kaum an seinem traumtänzerischen "Friedensplan" anlehnen wird) unwiderruflich seinem Haltbarkeitsdatum (und es wird nicht Putin sein, der ihn aus dem Spiel nimmt).

Bleibt China. Hat die chinesische Regierung ein Interesse, dass der Krieg in der Ukraine endet? Kaum, denn solange die USA Waffen dorthin (und nach Israel) schicken, sind sie von Taiwan abgelenkt. Und solange sich die EU selbst abschafft, wird BRICS für viele Staaten immer interessanter.

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Claudia Radow's avatar

Warum?

Nach dieser exzellenten und umfassenden Zusammenstellung der Informationen, Danke, bleibt das quälende 'Warum' um so intensiver.

Gestern im Vorbeifahren sah ich ein Plakat, war es tatsächlich von der Bundeswehr?

'Raus in den Sturm, gestärkt zurück'. Der Text ohne Garantie, ein flüchtiger Blick. Purer Irrsinn! Doch schaue ich auf die im Netz befindlichen Werbungen, graust es mir auch so.

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