Trump gewinnt die Wahl und Russland-Hass treibt neue Blüten
Christopher Steele ist wieder da. Tulsi Gabbard geht nicht weg.
Die Süddeutsche Zeitung brachte im Feuilleton (!) ein Interview mit Christopher Steele. Es stellt sich die Frage, warum. Was ist an Christopher Steele so besonders, dass er 2024 aus der Mottenkiste gezogen werden muss?
Die Antwort: Nach einer langen Phase des Abtauchens schrieb Steele ein Buch, das in den USA kurz vor den Wahl herauskam. In Deutsch ist es beim Beck-Verlag erschienen. In diesem Buch scheint er seine geheimdienstliche Vergangenheit, seine angeblich solide Arbeit als Beschaffer von „Informationen“ über Donald Trump für die Hillary Clinton-Kampagne (das sogenannte „Steele Dossier“), und eine anhaltende Warnung vor russischer Desinformation und Unterwanderung westlicher Gesellschaften zu verbinden. Er glänzte darüber hinaus mit neuen Anschuldigungen gegenüber Trump.
Die Washington Post führte dazu im Oktober ein Interview mit ihm, zum alten „Steele Dossier“, auch zum Buch. Selbstverständlich steht Steele zu allen Anschuldigungen, die er nie beweisen konnte, obwohl das FBI einst bereit war, ihm dafür bis zu einer Million Dollar zu zahlen.
https://edition.cnn.com/2022/10/11/politics/steele-dossier-fbi-durham-danchenko/index.html
Es sind eben „rohe“ Informationen, die er beschaffte. In der Regel würden dann etwa 70 Prozent stimmen, wenn man nur richtig im „Schatten“ gräbt. Für die Veröffentlichung war sein „Dossier“ nie bestimmt.
https://www.washingtonpost.com/books/2024/10/07/steele-dossier-christopher-steele-book/
Im Gespräch mit der Washington Post fand Steele, die westlichen Geheimdienste müssten mehr tun.
Nun entdeckten auch die Süddeutsche Zeitung und die Leipziger Volkszeitung Steeles Buch. Denn schließlich, so scheint es, ist Christopher Steele als einstiger Leiter der Russland-Abteilung (2006-2009) beim MI6 ein Mann mit profunder Erfahrung. Der kennt die russischen Pappenheimer. Dass er mit denen mehr als nur ein Hühnchen zu rupfen hat, liegt auf der Hand, auch wenn sich kaum einer erinnert.
2006 flogen in Moskau britische Spionageaktivitäten auf. Dort benutzten die Briten gefakte Steine zur Informationsweitergabe, und der offizielle MI6 Resident war verwickelt. Das war gegen die damals gültigen offiziellen Absprachen auf Geheimdienstebene, wie der Guardian notierte. Der mokierte sich auch über die gewählte Form der „toten Briefkästen“. Ein neuer „Q“ werde dringend gebraucht.
https://www.theguardian.com/world/2006/jan/24/russia.politics
Steele machte sich später einen Namen bei der Aufdeckung von Korruption innerhalb der FIFA, nur das Eigentliche, das, wofür er damals von britischer Seite angeheuert wurde, gelang ihm nicht: Nachzuweisen, dass Russland die Austragung der Fußball-WM 2018 unrechtmäßig ergaunert hatte. Daran erinnerte der Guardian 2018, der beklagte, dass es selbst dem britischen Geheimdienst nicht gelang, Russland die Austragung der Spiele zu verwehren. Russland hoffte, durch diese Austragung einen Imagegewinn zu erzielen.
Da kam der Fall Skripal gerade recht, später auch der Fall „Amesbury“ (Dawn Sturgess und Charlie Rowley). Wäre es nach Boris Johnson gegangen, dann hätte diese WM vom Westen boykottiert werden sollen.
Tatsache ist, dass Steeles Arbeit über Korruption in der FIFA seine Glaubwürdigkeit steigerte. So wurde er schließlich zur bezahlten Quelle beim FBI, obwohl das auch unter befreundeten Geheimdiensten nicht ganz üblich ist. Außerdem hatte er den Fall Litwinenko bearbeitet und war schnell zur Schlussfolgerung gelangt, dass Russland dahintersteckte.
Als sein „Dossier“ öffentlich wurde, berichtete die BBC über die Kommentierung in Großbritannien. Einige priesen Steele als extrem kompetent, andere meinten, das „Dossier“ sei unglaubwürdig.
https://www.bbc.com/news/uk-38607456
2018, im „Skripal-Fall“, hieß es bei NBC, Steele stünde ebenfalls auf einer Attentatsliste des Kremls, die auch Bill Browder und weitere Personen beinhalte.
https://www.nbcnews.com/news/world/russian-ex-spy-says-he-was-kremlin-hit-list-along-n860641
2020 wurde eine Notiz des CIA-Direktors aus dem Jahr 2016 bekannt, dass die Hillary Clinton-Kampagne Trump eine Russland-Verstrickung vorwerfen wollte, um seine Kandidatur zu unterminieren. Das hatte die CIA aus russischen Quellen erfahren.
Diese Information hielt der damalige CIA-Direktor Brennan für wichtig genug, um Präsident Obama am 28. Juli 2016 zu unterrichten und darüber eine handschriftliche Notiz zu verfassen.
https://www.foxnews.com/politics/dni-brennan-notes-cia-memo-clinton
Seitdem stellt sich die Frage, wie die russische Seite an diese Informationen kam: Hatte sie Zugang zum innersten Kreis der Clinton-Kampagne oder gab es in der Umgebung von Christopher Steele, der dafür bezahlt wurde, eine „Russland-Verstrickung“ von Trump nachzuweisen, eine undichte Stelle?
Steele oder aber der ehemaligen Führungsoffizier von Skripal, Pablo Miller, der mit Steeles privatem Unternehmen verbandelt war, kamen dafür nicht in Frage. Wohl aber deren Kontakte. Miller hatte regelmäßig Beziehungen zu Skripal.
Steele wiederum verfügte laut eigenen Angaben über ein angeblich professionelles „Netzwerk“, das sich nach genaueren Untersuchungen allerdings mehr oder weniger als ein kleiner Kreis von Laienspielern herausstellte, die Gerüchte, Vermutungen und üble Nachrede lieferten. Zudem hatte Steele 2015 auch für einen russischen Oligarchen gearbeitet, was wiederum das FBI irritierte.
Steele schrieb damals in seinem „Dossier“ auch ein Gerücht auf, das ein Anwalt der Demokratischen Partei ihm erzählt hatte: Zwischen dem Trump Tower und der russischen Alfa Bank gebe es eine heimliche Serververbindung.
Newsweek berichtete 2022, wie die Clinton-Kampagne erst die Veröffentlichung gepusht hatte und dann diese Veröffentlichung zum Indiz nahm. Nun hätte man erste sichtbare Belege für Trumps Russland-Verstrickung.
https://www.newsweek.com/trump-gets-new-ammo-efforts-dismiss-russia-collusion-witch-hunt-1708751
Ein langer Artikel von Barry Maier in The Nation erinnert an die unheilige Allianz zwischen „gemieteten“ Ex-Spionen, ehemaligen reputierlichen Journalisten, die sich der Oppositionserforschung zugunsten der Hillary Clinton-Kampagne verschrieben und dafür auch nach 2016 sehr viel Geld kassierten (Millionen Dollar) und aktuellen Journalisten, die für einen Scoop gerne aufschrieben, was sie glauben wollten.
https://www.thenation.com/article/politics/alfa-bank-ping-russiagate/
Immer waren „aktivistische“ Vertreter von US-Geheimdiensten bzw. Politiker, die im US-Geheimdienstausschuss saßen, mit an Bord.
Wie die Machtverteilung in den USA tatsächlich aussieht, machte der Demokrat Chuck Schumer unabsichtlich in einem Gespräch mit Rachel Maddows bereits Anfang 2017 deutlich. Präsident Trump, so Schumer, sei wirklich dumm, sich mit den Geheimdiensten anzulegen. Die hätten Mittel, ihn fertigzumachen.
Dabei würden die Geheimdienste doch gebraucht, so Schumer weiter, siehe das russische Hack der Parteizentrale der Demokraten (DNC).
(Anmerkung: Die Unterstellung lautete, Russland habe die DNC-emails an Wikileaks weitergeleitet, das dann das Material, das für Clinton belastend war, veröffentlichte).
Erst Jahr 2020 wurde bekannt, dass das einzige Unternehmen, dass die Server des DNC je untersucht hatte, Crowdstrike, keinen Beweis dafür gefunden hatte, dass russische Hacker die DNC-emails abgegriffen hatten.
https://www.dni.gov/files/HPSCI_Transcripts/2020-05-04-Shawn_Henry-MTR_Redacted.pdf
Aber alle, die diese Aussage, die im Geheimdienstausschuss 2017 hinter verschlossenen Türen fiel, gehört hatten, schwiegen, und viele Medien tun das noch heute.
So blieb das sogenannte „Russiagate“ lebendig. Die US-Demokraten unterstellten Trump eine Verschwörung mit Russland, die sie nicht beweisen konnten und landeten so selbst in der Verschwörungstheorie.
Ein praktischer Nebeneffekt von „Russiagate“ allerdings ist, dass der Vorwurf des Landesverrats, denn nichts anderes wird ja behauptet, wenn eine Person beschuldigt wird, mit dem Kreml unter einer Decke zu stecken, oder dessen „Sprechpunkte“ nachzubeten, treffsicher sitzt. Er sät Zweifel, delegitimiert. Denen, die es trifft, wird praktisch ein Etikett auf der Stirn geklebt: Vorsicht, Feind!
Nach der Beschuldigung von Trump ab 2016 traf es im demokratischen Vorwahlkampf 2019/2020 auch zwei Präsidentschaftsbewerber aus den eigenen Reihen: Erstens Bernie Sanders, der angeblich der von Moskau bevorzugte Kandidat um das US-Präsidentenamt 2020 gewesen sei.
https://www.npr.org/2020/03/05/812186614/how-russia-is-trying-to-boost-bernie-sanders-campaign
Es fing damit an, dass er 1988 eine Reise nach Moskau unternommen hatte und 1989 zudem noch eine Kuba-Reise plante. Das sagte ja wohl schon fast alles.
Zweitens wurde Tulsi Gabbard zum Angriffsziel. Hillary Clinton behauptete über Gabbard, Moskau würde sie „kultivieren“ als bevorzugte unabhängige Wettbewerberin um das Präsidentenamt.
Damals wurde Gabbard von Bernie Sanders verteidigt. Der bezeichnete den völlig aus der Luft gegriffenen Vorwurf von Hillary Clinton als „empörend“. Heute schweigt er.
https://edition.cnn.com/2019/10/21/politics/bernie-sanders-tulsi-gabbard-tweet/index.html
In einem Podcast mit Lex Friedman 2024 erinnerte sich Tulsi Gabbard, wie es damals ablief, wie sie das einschätzt, und warum sie die Demokratische Partei verließ.
Sie war auch mehrfach zu Gast bei Joe Rogan, der sich eine der am meisten gesehenen Gesprächsrunden der Welt erarbeitete.
Dort kann man ihr unverfälscht zuhören und sich selbst ein Urteil bilden. Offenbar haben das viele US-Wähler getan.
Nun wurde Tulsi Gabbard von Trump für das Amt des Geheimdienstkoordinators nominiert. Und schon wieder wird sie mit Dreck beworfen. Sie sei inkompetent ist noch der geringste Vorwurf. Die NZZ behauptet, ihre Nominierung sei ein Geschenk Trumps an den Kreml. Schließlich „plappere“ Gabbard „ständig Kreml Propaganda“ nach.
Sie gilt als „pro-russisch“ und Spione fürchten, andere Geheimdienste würden gewiss nun die Zusammenarbeit mit den USA einschränken.
John Bolton, der immer an vorderster US-Front steht, wenn es um Kriege geht, wetterte, sie hätte weder die Kompetenz, den Charakter noch die moralische Eignung für den Job. Er nahm ihr Gespräch mit Assad 2017 und ihre Einschätzung zum Ukraine-Krieg zum Beweis.
Bolton behandelte diese Nominierung wie ein ernstes Sicherheitsproblem für die USA.
Zu John Bolton muss man wissen, dass der auch zwanzig Jahre nach dem Irak-Krieg nichts bereut. Er würde ihn noch einmal führen.
Der bereut höchstens, dass ihm der regime change in Venezuela misslang.
Bolton brachte den Iran-Deal aus dem Jahr 2015 zum Platzen. Er ist sehr wahrscheinlich noch immer sauer, dass er Trump nicht zum Krieg gegen den Iran verführen konnte.
Warum beleben auch deutsche Medien „Russiagate“ wieder? Warum stimmen auch europäischen Medien in den Chor der unbewiesenen Verdächtigungen gegen Tulsi Gabbard ein? Warum wird lieber Christopher Steele befragt als Tulsi Gabbard?
Die Antwort liegt auf der Hand:
Mit „Russiagate“ ist man auf der Seite der US-Demokraten, auf der Seite der Geheimdienste, fest an der Seite der Kaste der Kriegstreiber, die nicht nur in Washington schon viel zu lange das Regiment führen.
Wer sich aber gegen endlose Kriege ausspricht, nicht will, dass Soldaten sinnlos verheizt werden, oder dafür eintritt, dass die freie Rede geschützt bleibt, folgt angeblich dem „Drehbuch“ Moskaus.
Denn wie Hillary Clinton jüngst so prägnant bei CNN bemerkte:
Wenn soziale Medien die Inhalte auf ihren Plattformen nicht moderieren, dann „verlieren wir die totale Kontrolle“.
Wer „wir“ ist, sagte Clinton nicht. Aber ihr Ziel verriet sie schon: totale Meinungskontrolle.
In einem Video lieferte Matt Orfaleo einen Zusammenschnitt dessen, worüber Gabbard 2020 als demokratische Kandidatin für das Präsidentenamt sprach, und mit welchem Vitriol schon damals bestimmte US-Medien kommentierten.
Im Video kommen auch US-Veteranen zu Wort, Menschen, die in Kriegen dienten, so wie Tulsi Gabbard.
Sie alle wissen aus eigener Erfahrung, dass Frieden dem Krieg vorzuziehen ist.
Ganz nebenbei enthüllt die aktuelle Diskussion um die geplante Rolle von Gabbard in der Trump-Administration auch die Verlogenheit, wenn es um den Diskurs geht, dass Frauen in wichtige Positionen gehören: Hillary Clinton, so die allgemeine Meinung auch in der EU, die hatte das US-Präsidentenamt 2016 mehr als verdient. Die andere Frau aber, so ganz und gar keine Hillary Clinton, die hat gar nichts verdient. Denn die ist der idiologische Feind, gleich mit zwei „Hitlers im Bett“: Trump und Putin.
(Anmerkung: So wie Frau Strack-Zimmermann alles verdient, Sahra Wagenknecht nichts.)
Denn Leute wie Trump oder Putin sind in Wahrheit gar keine Menschen. Nicht wirklich.
Eher Ratten.
https://www.washingtonpost.com/opinions/2020/12/18/telnaes-trump-republican-rats-cartoon/
Oder Kraken.
https://www.tagesspiegel.de/politik/putin-hat-den-krieg-bereits-verloren-5137879.html
Wie schön möchte man erleichtert seufzen, dass auch deutsche Medien uns davor bewahren wollen und nun Christopher Steele wieder eine Plattform geben. Es wäre ja zu schade, dessen Potential zu vergeuden. Russlandhass kriegt man nicht umsonst. Der muss gezüchtet werden. Jeden Tag.
Damit auch wir Deutsche wieder verstehen, warum das alles sein muss. Friedenssehnsucht war gestern, Kriegstüchtigkeit ist, was zählt.
Nun ja, jeder, der sich über Politik (und somit auch über Trump etc) in den Hauptmedien informiert, ist mittlerweile selbst schuld. Trump hat kurz nach seiner Wahl ein 10-Punkte-Programm veröffentlicht (https://x.com/SpartaJustice/status/1854659468765626764 - kaum eine Notiz davon schaffte es in den deutschen Blätterwald), und die Nominierung von Gaetz und Gabbard zeigt, dass er es wohl ernst meint (und auch, dass er JFK jr nicht zum Berater, sondern zum Minister machen will). Wenn die Nominierten bestätigt (oder per recess-appointments duchgedrückt) werden, Trump und die Seinen überleben und nur die Hälfte vom Angekündigten umsetzen, wird sich sehr viel in Amerika ändern (leider nicht in Bezug auf Israel), und möglicherweise werden dann auch Teile der dortigen Medien wieder den Mut haben, ihrer eigentlichen Arbeit nachzukommen. Ob das Auswirkungen bis nach Europa haben wird, kann man nur hoffen, aber Hoffnung ist ja eh das Einzige, was einem derzeit noch bleibt.
Es ist absurd, wie Menschen kategorisiert werden, die Krieg als allerletztes Mittel sehen und Diplomatie als auch Kompromisse an erste Stelle setzen, bevor unzählige Menschen ihr Leben verlieren.
Danke Frau Erler für diese Zeilen. Möge der Sarkasmus verstanden werden. Es gab Zeiten, da war dieser die Würze politischer Aufarbeitung.