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Feb 5, 2023Liked by Petra Erler

Vielen Dank für diese tolle Analyse. Noch ein kurzer Hinweis, die Kriegsrhetorik wird ja schon seit 9/11 2001 verwendet: Krieg gegen dern Terror, Krieg gegen den internationalen Islamismus, Krieg gegen brutale Autokraten, Krieg gegen das Virus, Krieg gegen Putin .. und wenn das - sowie von den US-Eliten geplant - weiter geht, bald noch Krieg den Chinesen. Seit mehr als 20 Jahren dröhnt es "Krieg, Krieg, Krieg" in die Ohren des Bürgers -- es scheint sich eine gewisse Normalisierung des (verbalen und tatsächlichen) Kriegs- bzw. Ausnahmezustandes in der Bevölkerung breit gemacht zu haben (meine Beobachtung zumindest).

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Die positive Bilanz des Krieges in der Ukraine aus US-Sicht lässt sich trotz allem noch ein wenig schärfer umreisen. Europa ist essenziell geschwächt: Die Deutsch-Französische Allianz findet nicht zueinander und die wiedervereinigte Bundesrepublik befindet sich nun so fest am Haken der USA wie kurz nach Ende des 2. Weltkrieges nur Westdeutschland unter der Adenauer-Regierung. Die mühevoll unter Brand und seinen Nachfolgern errungene Freiheit, wirtschaftlich zu beiderseitigem Vorteil enger mit der Sowjetunion und später mit der Russischen Föderation zu kooperieren, ist für längere Zeit Geschichte. Das schwächt die deutsche Wirtschaft massiv, erhöht die Abhängigkeit von den USA und destabilisiert mittelfristig den europäischen Kontinent. Washington wird uns über die nächsten Jahre eng begleiten und mit Bündnisaufgaben innerhalb der Nato gegen unsere ureigenen Interessen versuchen einzudecken. Es scheint im Übrigen genug Politiker zu geben, die bereit sind, für diese Rolle Deutschlands mit heißem Verlangen zu werben. Und die Stimmung gegen ‚das Böse‘ ist durch die Deutungshoheit der Leitmedien – allesamt für immer mehr Waffen und finanzielle Unterstützung der Ukraine – recht gut bereitet.

Angesichts einer Ukraine nah am ‚failed state‘ wird Europa für den Wiederaufbau zahlen. Das chinesische Seidenstraßenprojekt könnte wegen der wahrscheinlichen Blockade durch die östlichen Staaten Europas - die immer auf Kommando die US-Flagge schwenken - und die Ukraine bedeutend schwieriger werden. Der Referenzrahmen ist neu abgesteckt, die „Augenhöhe zu den USA“ – immer schon eine Fata Morgana - dahin. Jetzt plappert die Presse von der „Abhängigkeit von China“; alles müsse auf den Prüfstand, getrieben von der Sorge, die „strategische Souveränität“ der Nato könne Schaden neben. Borell, der manchmal offenbar auch von Visionen geplagt wird, will die Reihen fest geschlossen halten. Amerika sagt danke, wenn die EU den „treuen Vasall“ gibt.

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Hallo Frau Erler, der Cicero hat sich mit seinem Autor Alexander Grau auch der RAND - Analyse angenommen, mitnichten aber so gründlich und fundiert wie Sie es taten. Man merkt Ihren Texten halt die langjährige politische Erfahrung an, auch hinter die Kulissen zu schauen bzw. zwischen den Zeilen lesen zu können. Ich weiß, ich wiederhole mich: Aber Ihre Texte sind eine Labsal, wenn man sich mal wieder aus dem Dschungel der Verblödungstexte in der Mainstreampresse befreien möchte. Herzlichen Dank für Ihre Arbeit.

LG aus HH

Karl-Heinz Reineke

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Danke für diese sehr aufschlussreiche Analyse (und das zwischen den Zeilen lesen) der aktuellen RAND-Studie sowie die Zusammenfassung und das in Kontext setzen mit der derzeitigen politischen Stümperei in Deutschland und der EU. Ich bezweifle allerdings, dass auch nur einer unserer politischen Tieflieger "sie richtig liest", geschweige denn versteht. Wahrscheinlich war es auch von den Autoren der Studie so beabsichtigt, dass sie von gewissen Protagonisten nicht verstanden wird. Das ist, wie ich finde, ebenfalls genial.

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In dem neuen meisterlichen Beitrag der Leuchtturmwärterin findet sich ein inhaltlich zitierter Gedanke, der schon von US-General Milley bezüglich der Ukraine geäußert und - wie ich finde - in den Medien seltsamerweise kaum beachtet wurde: Territorium ist nicht alles - ist eine scheinbar banale Feststellung, aber sie verdient es, dekliniert zu werden. Was Milley damit meint, entspricht einer kühlen Lageanalyse, die besagt, dass sich für die Ukraine das Zeitfenster für eine Lösung mit maximaler Rückeroberung von Territorium schließt oder sogar geschlossen hat, wenn es sie je gegeben haben sollte. Das heißt im Umkehrschluss: Frieden mit Russland wird es sehr wahrscheinlich nur im Austausch gegen Land (Krim und Donbas) geben. Natürlich lehnen die selbstgerechten und grün angestrichenen Protagonisten eines vollständigen Sieges der Ukraine eine derartige "Belohnung für Landraub“ vehement ab. Land gegen Frieden ist jedoch eine Formel, die bereits im Nahen Osten praktiziert wurde und nach dem Oktoberkrieg von 1973 durchaus für Entspannung (wenn auch nicht für einen umfassenden Frieden) sorgte. So gab etwa Israel die besetzte Sinai-Halbinsel an Ägypten gegen die Zusage Kairos zurück, aus der Phalanx der Kriegsgegner Israels auszuscheren. Beide Seiten rückten von der jeweiligen Maximalposition ab. Wer - egal um welchen Preis - auf eine rein „moralische“ Lösung beharrt wie Hofreiter und Konsorten, müsste bei dieser Logik auch für eine militärische Rückeroberung des türkisch besetzten Nordteil Zyperns plädieren oder die militärische Rückeroberung der israelisch besetzten Golanhöhen durch Syrien fordern oder die gewaltsame Trennung der Westsahara von Marokko befeuern, um nur einige Beispiele zu bemühen. Obwohl es sich in allen Fällen um klare Völkerrechtsbrüche der Türkei, Israels und Marokkos handelt, würde dennoch keiner der „vom Völkerrecht Kommenden“ einer solchen „Lösung“ zustimmen - aus dem einfachen Grund, weil der Preis eine unkontrollierbare Eskalation der Gewalt auslösen würde. Das gilt erst Recht im Fall einer gewaltsamen Rückeroberung der Krim und des Donbas.

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Täuscht es oder stimmt meine Wahrnehmung, dass das Tempo der Eskalationen und Interventionen in den letzten dreißig Jahren stetig zunimmt, als hätte da jemand nicht mehr so viel Zeit, seine Macht zu halten?

Danke wieder für die Analayse. Sehr erhellend. Sehr bewegend auch.

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Liebe Frau Erler

Da ist ein Kennedy der diesem Biden lediglich all die toten Soldaten [350.000] in der Ukraine um die Ohren haute! Deutsche Medien schweigen! Was will dieser Scholz noch und warum? Was will dieser Olaf und wie stinkt die SPD wenn Olaf den Kopf aus Bidens Arsch gezogen hat? Bitte 10 % mehr haben Heil, Faeser und Konsorten nicht verdient ... MfG

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Wie die Studie von 2019 belegt auch die neueste RAND-Studie, dass es den USA (fast) ausschließlich um die Durchsetzung ihrer eigenen Weltmachtinteressen geht.

Das Doppelgesicht dieses Verhaltens zeigte sich erstmals bei der Entscheidung, auf der Seite der Alliierten in den Ersten Weltkrieg einzutreten. Hierfür war das Ziel ausschlaggebend, die Rückzahlung der England und Frankreich gewährten Kriegskredite durch deren Sieg sicherzustellen. Auch der – für uns zweifellos förderliche – Marshall-Plan hatte nicht nur das Ziel zu helfen, sondern sollte die Empfängerstaaten durch rasche wirtschaftliche Erholung gegen sozialistisches Gedankengut "immunisieren", die politisch-militärische Machtposition der USA in Europa sichern, einen Absatzmarkt für amerikanische Produkte schaffen und hierdurch für die Millionen von zurückkehrenden Soldaten Arbeitsplätze schaffen. Dieses Argument spielte für die Bewilligung der Mittel im Kongress eine ganz wesentliche Rolle.

Mir scheint, dass in den seither vergangenen Jahrzehnten der altruistische Anteil bei amerikanischen Entscheidungen stark zurückgegangen ist und aktuell genuin amerikanische Interessen fast alleine ausschlaggebend sind. "America first" wurde lautstark von Trump beschworen, was bei uns sehr schlecht ankam und zur Sehnsucht nach seiner Abwahl wesentlich beitrug. Sein Nachfolger Biden verfolgt eine mindestens ebenso US-zentrierte Außenpolitik, verkauft diese jedoch deutlich geschickter. Die Konsequenz müsste eine primär auf europäische Interessen fokussierte eigenständige Außen- und Sicherheitspolitik der EU sein. Danach sieht es leider weniger denn je aus. – Dass dabei auf die berechtigten wirtschaftlichen und sonstigen Interessen aller anderen Völker gebührend Rücksicht genommen werden müsste, versteht sich von selbst.

Genauso wie die wahrhaft "wegweisende" RAND-Studie von 2019 (Overextending and Unbalancing Russia) in den deutschen "Qualitätsmedien" keine Rolle spielte, so wird vermutlich auch die neue Studie verschwiegen werden – zumindest vom größten Teil der Zeitungen, und in Rundfunk und Fernsehen sowieso. Die darin enthaltenen Erkenntnisse und Konsequenzen passen einfach nicht zu der Story, die den weitaus meisten Deutschen seither erzählt wurde. Dies gilt auch für die Interviews der Generäle Kujat, Vad, Milley, die man, wenn man halbwegs bei Sinnen ist, nicht als "prorussisches Geschwätz" abtun kann. Die Mainstream-Presse bleibt bei ihrer Selensky- und Ukraine-Glorifizierung, konsequent und mit geradezu peinlicher Euphorie von der EU unterstützt.

Es ist sehr wichtig und verdienstvoll, dass Frau Erler auf die immense Lücke hinweist, welche die RAND-Studie aufweist: der Marsch der USA von einem Krieg zum nächsten und das Ausbleiben jeglichen Lerneffekts bei den "Führern der Freien Welt". Nach zuverlässigen Angaben haben die USA seit ihrer Gründung mehr als 200 Kriege bzw. militärische Auseinandersetzungen geführt – mehr als jeder andere Staat auf dieser Erde. Mit Ausnahme des japanischen Überfalls auf Pearl Harbour waren sie nie die Angegriffenen. Einen Angriff gegen die USA auf dem amerikanischen Kontinent gab es gar nie. Was ist dann das treibende Moment hinter dieser kontinuierlich aggressiven Außenpolitik? Mentalität, Gesetzmäßigkeiten des Kapitalismus, stark veraltete Verfassung ….? Wie auch immer. Der Befund ist eindeutig und die Konsequenzen, die endlich vom Rest der Welt und ganz besonders von Europa gezogen werden müssten, liegen auf der Hand.

Die Diagnosen von Frau Erler sind zutreffend und beruhen auf fundierter Sachkenntnis und scharfer Beobachtung. Besonders verdienstvoll finde ich ihren Hinweis auf die gefährliche Situation, in der sich Deutschland inzwischen befindet.

Zu deren ansatzweiser, geschweige denn nachhaltiger Behebung leistet auch die deutsche Sozialdemokratie keinen Beitrag. Vielmehr ist sie offenkundig gewillt, den abschüssigen Weg weiter zu beschreiten, auf den sie sich begeben hat, einschließlich der unsäglichen Distanzierung, ja Diffamierung ihrer eigenen Entspannungspolitik. Die einzige Persönlichkeit innerhalb der Parteispitze, die bisher noch an den früheren und immer noch zu treffenden Erkenntnissen festhält, ist der Fraktionsvorsitzende im Bundestag Mützenich. Allerdings ist er inzwischen stark isoliert. Sowohl der erheblich überschätzte Generalsekretär Kevin Kühnert und die beiden Vorsitzenden Saskia Esken und Rolf Klingbeil, aber auch der Doppelwumms-Bundeskanzler mit löchrigem Gedächtnis und zahlreiche andere Inhaber einflussreicher Ämter sind willfährige Empfänger amerikanischer Hinweise oder Anweisungen, die sie manchmal sogar im vorauseilenden Gehorsam umsetzen. Leider besteht bezüglich der Qualität unseres politischen Personals – und zwar bei allen Parteien – kein Anlass zu Optimismus.

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Feb 7, 2023·edited Feb 7, 2023

Vielen Dank, für die hervorragende Analyse, lieber Frau Erler.

Und von mir ein Hinweis auf die Friedensdemo am 24.2. in Berlin und ich glaube auch an anderen Orten. http://www.frikoberlin.de

Es ist eine Schande, dass die Friedensbewegung sich so hat spalten lassen und mundtot machen. Um so mehr braucht sie die Herzmassage und Mund-zu-Mund-Beatmung zur Wiederbelebung.

Und in Italien wurde Selensky zumindest ein bisschen entfernt vom Sanremo-Musikfestival. https://www.berliner-zeitung.de/kultur-vergnuegen/italien-nach-protesten-laedt-das-sanremo-festival-selenskyj-wieder-aus-li.314863

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Sehr guter Artikel. Ich denke in letzter Zeit oft in die Richtung, dass es in den USA die sogenannten Straussianer (deutsch-US-Philosoph, mit der Lehre, das die Eliten herrschen sollen und die Bürger angelogen werden sollen) gibt und das sind wohl auch die sogenannten US-Neocons. Dann gibt es wohl auch einen religiösen Aspekt: Gods own Country, so sehen sich wohl viele US-Amerikaner, auch die ganz oben. John Bolton, hin und wieder „Sicherheitsberater“ von US-Präsidenten, sagte wohl erst vor kurzem (Weltwoche-Artikel), die USA seien eine unverzichtbare Nation, die für Recht und Ordnung sorge. Dieser John Bolton äußerte sich, so glaube ich, auch mal besonders abfällig zu den Vereinten Nationen, die könnten gar keine Sicherheit bieten.

So lange es dort drüben (USA) diesen Hintergrund gibt, habe ich die Sorge, dass wir auf diesem Planeten keine Ruhe bekommen werden. Besonders enttäuschend für mich ist, dass weite Teile der europäischen Politkaste, entweder dumm sind, indoktriniert (siehe Baerbock), gekauft oder sonst was. Aber die meisten haben ihren Verstand nicht beisammen. Ich empfinde große Empörung, dass Teile der Bevölkerung in Geiselhaft genommen werden durch die Politik, nun Russland (und auch China) feindselig gegenüber zu stehen und das es leider all zu viele unkritische Menschen gibt, die sich leicht manipulieren lassen. Genau so wie bei dem mRNA-Experiment.

Es ist jetzt zwar nur spekulativ, aber ich denke, wenn Trump die Wahl gewonnen hätte, säßen wir jetzt nicht in dieser Klemme. Diesen Ukraine-Konflikt gäbe es so nicht. Mit Hauptschuldige sind für mich, Präsident Biden (trotz seinem Alter), Blinken und vor allem die Hexe Victoria „F... the EU“ Nuland und dann der US-militärisch-industrielle Komplex vor dem schon Präsident Eisenhower gewarnt hat.

Ich klammere mich an die Hoffnung, dass es Aufstände durch die Bevölkerungen geben sollte. In den USA. Die USA sind eine gespaltene Nation. Aber auch in Europa sollten die Bevölkerungen nicht mehr schweigen. Immerhin gibt es hier und da Demos.

Schön wäre es, wenn man die Straussianer/US-Neocons, mit samt dem US-militärisch-industrielle Komplex wegzaubern könnte, dann bestünde Hoffnung für die Menschheit.

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Danke für die wunderbare Analyse. Ein bisschen geärgert habe ich mich über die Abqualifizierung von Nenas "Luftballons" als "Liedchen". Dieses scheinbar so simple "Liedchen" steht für meine Generation in Ost und West, der der Kalte Krieg bis oben stand. Mit Ost und West meine ich wirklich Ost und West. Es gab gigantische Friedensdemonstrationen in der BRD und den USA. Später, bei Reisen durch die ehemalige DDR und durch Russland, entdeckte ich, dass man das auf der anderen Seite genauso gesehen hatte. Unvergessen, wie mich meine Minsker Freunde nicht in ein Partisanenmuseum begleiten wollten. Die hatten die Feindbildperpetuierung genauso satt wie wir.

Aus Feigheit, Faulheit und Indolenz haben wir es zugelassen, dass aus dem "gemeinsamen Haus Europa" so langsam wieder ein Schlachthaus wird. Meine einzige Hoffnung ist, dass unsere westliche Propagandamaschine langsam ins Stottern gerät und irgendwann zusammenbricht. Corona könnte sich dabei als unser Tschernobyl herausstellen.

Was Nena angeht, so hat sie sich nie wieder irgendwie politisch geäußert. Bis zur Coronazeit. Da war sie die einzige unserer ach so linken und ach so toleranten populären Kulturschaffenden die wahren Mut bewies und sich öffentlich gegen die Coronamaßnahmen wandte. Danach konnte sie lange nicht mehr auftreten. Erst vor wenigen Monaten hat sich das geändert.

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