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Jan 25Liked by Petra Erler

Liebe Petra Erler, vielen Dank für ihre Nachrichten, auch wenn sie eher beunruhigend sind.

Wenn ich mit kritischem Blick auf die deutschen Medien schaue, scheint der „Krieg um die Köpfe“ - abgesehen von den USA - in den Nato-Ländern (vorerst) entschieden zu sein. In Deutschland wie in vielen Staaten Europas dominiert die Sprache des Militärs, die Logik des Drohens, der Aufrüstung und der reanimierte Glaube an militärische Stärke. Journalistische Federn teilen die Welt in Gut und Böse ein. Wenn Menschenrechtsverletzungen von „Feindstaaten“ begangen wurden, spricht man von Gräueltaten, werden solche Taten durch Verbündete verübt, handelt es sich um unvermeidbare Vorgänge, die im Gefecht vorkommen können (Florian Zollmann, Media, Propaganda and the Politics of Intervention, Frankfurt/M. 2017). Kollateralschäden eben.

Eine Untersuchung von Gerd Grötzinger (Makroskop) verglich die Jahre 2003 (Irak-Krieg) und 2022 (Ukraine-Krieg) in verschiedenen Zeitungen, u.a. Süddeutsche und FAZ, zum Begriff „ANGRIFFSKRIEG“. Zweifellos handelte es sich in beiden Fällen um einen völkerrechtswidrigen Krieg, beide Kriege waren genau genommen „Angriffskriege“. In der Süddeutschen fanden sich in Bezug auf den Irakkrieg jedoch nur 146 Treffer, dagegen 1701 Treffer für den Ukraine-Krieg. In der FAZ fanden sich 80 Nennungen für 2003, aber 1790 für das Jahr 2022. Die Kriege wurden und werden demnach von beiden Redaktionen sehr unterschiedlich eingeordnet - von Doppelstandards zu sprechen, scheint mehr als berechtigt.

Von Sascha Lobos „Lumpenpazifisten“ bis zu Gaucks Geschwafel über benötigte „Agenten der Entängstigung“ wird die Ertüchtigung zum Krieg in den meisten Printmedien wieder als Tugend gefeiert, natürlich zum Schutz von Menschenrechten und Freiheit versteht sich. Der ehemalige Bundespräsident und sich nun als Militärpfarrer girierende Gauck wird für mich derzeit verbal nur noch von einem Politik-Professor übertroffen, der sich allen Ernstes in Deutschland „Eskalationsbereitschaft“ wünscht. Friedrich Merz darf da auch nicht abseits stehen; er erwähnt mal so nebenbei, keine Angst vor einem Atomkrieg zu haben. Man könnte diese Äußerung als Übersprunghandlung eines verhinderten Klassenprimus deuten, vielleicht mit einem Hauch von Todessehnsucht umgeben. Die aktuelle Bedrohungslage so abzutun, scheint mir für einen verantwortlichen Politiker in unserem Land bodenlos leichtfertig.

Dass viele Staaten in Lateinamerika, Afrika, Asien und Indien statt Kriegsrhetorik und noch mehr Waffen Diplomatie und rasche Wiederaufnahme der Verhandlungen von Istanbul von den Kriegsparteien fordern, wird in den Nato-Staaten kaum zur Kenntnis genommen. Diskutiert wird es jedenfalls nicht in den Medien. Die gießen weiter Öl in die hoch schlagenden Flammen. Und die Nato rollt ihre Szenarien für einen größeren Planungszeitraum aus, flankiert von willfährigen Medien – Diplomatie Fehlanzeige.

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Jan 25·edited Jan 25

Ich befürchte sehr wohl, dass das auf einen Krieg zusteuert, allerdings nicht weil Russland unbedingt auch noch Westeuropa haben will, wozu auch? Dass die sehr besonnen auf all die Provokationen reagieren, zeigt, dass sie einen solchen Krieg unbedingt vermeiden wollen, denn gerade die Russen wissen aus 200 Jahren Geschichte, was verheerende Kriege anrichten, besonders seit dem letzten Weltinferno. http://zug-der-erinnerung.eu/download/rundschreiben_202401.pdf

Schon in der Kubakrise gab es einflussreiche Kreise in den USA, die unbedingt den Atomschlag wollten und letztlich sind die USA der einzige Staat, der kriegerisch Atomwaffen eingesetzt hat, zwar nicht wirklich gegen Japan, sondern als Signal an die SU. Es gab ja auch Pläne

x Atombomben auf Moskau und andere Städte zu werfen.

Und dass vergleichbar draufe Leute immer noch herum wühlen, sieht man eigentlich deutlich, wenn man genau hinschaut. Europa war sowieso immer als Schlachtfeld gedacht und die US-Amerikaner glauben sich offenbar immer noch recht sicher auf ihrem Kontinent, wenn sie den Erstschlag tun.

Ein Grund wird sich schon finden, denn wir sehen doch tagtäglich, dass das aggressive Russland immer näher an die NATO heran rückt. Wenn das kein Fall für präemptive Verteidigung des Verteidigungs(!)bündnisses NATO ist, fresse ich 2 Besen.

Aber damit wir nicht ständig uns diesem Wahnsinn hingeben, empfehle ich mal off topic ein wunderbares Portrait eines zauberhaften Menschen und großartigen Künstlers https://www.ardmediathek.de/video/br-klassik-im-tv/der-pianist-menahem-pressler-das-leben-das-ich-liebe/br-fernsehen/Y3JpZDovL2JyLmRlL3ZpZGVvLzgyNjVlYzFiLTE0MDktNGY2ZS05NWRmLThhZjNmNDI0NTY1Zg

Das ist Seelenstärkung, die wir in diesen Zeiten so dringend brauchen.

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Danke, liebe Columba, die "Seeelenstärkung" werde ich mir sehr gerne in Ruhe ansehen!

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Russland wird natürlich nicht von sich aus die Nato angreifen. Das wäre völliger Unsinn aus russischer Sicht. Dazu muss es provoziert werden. Joe Biden sagte schon 1996 im Senat, dass man Russland zu einer militärischen Aktion forcieren könnte, wenn die Nato an der russischen Grenze aufmarschiert. Dieses Konzept ist mit dem provozierten Ukrainekrieg aufgegangen. Was kann man also tun, damit Russland die Nato angreifen muss. Dazu dienen z.B. die Taurusraketen. Wenn die Ukraine damit Moskau, die Krim und andere Städte angreift, wird Russland nicht nur Kiew zerstören müssen, sondern auch gegen das Natohinterland und die Nachschubwege vorgehen. Aus Selbstschutz. Es gibt Kräfte im Westen, die eine solche Eskalation um jeden Preis provozieren wollen. Die Bombardierung des Donbass durch die ukrainische Armee ab 2014 und besonders 2022 wären das Vorbild. Möglich wäre auch ein Präventivangriff der Nato gegen ein Land, das wie der Irak Massenvernichtungswaffen besitzt. In diesem Fall würde das sogar zutreffen.

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Irak - Massenvernichtungswaffen? Das versteh ich nicht.

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Jan 25·edited Jan 25Liked by Petra Erler

Er hat vor 'der Irak' das Wörtchen 'angeblich' vergessen, der letzte Satz verdeutlicht das.

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In UK tobt heute das Netz, weil der Chef der Armee und der VM von Wiedereinfuehrung der Wehrpflicht faseln.

Die Reaktion ist zwar heftig und eindeutig, aber dies ist ein weiteres Indiz dafuer, dass da irgendetwas im Busch ist und koordiniert wird.

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Wenn ich das richtig verstanden habe, war es sogar noch schlimmer: Einberufung wegen eines Kriegs gegen Russland

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Wieder danke für die Zusammenstellung und auch für die Erinnerung an das Kästner-Gedicht, unterlegt mit eindrucksvollen Lithografien A. Paul Webers (zufälligerweise mein Lieblings-Karikaturist). Das Gedicht hat Kästner übrigens nach dem ERSTEN Weltkrieg geschrieben. Bei den von Ihnen zusammengestellten Meldungen fiel mir allerdings spontan nicht Kästner ein, sondern Degenhardt's "Es denken die Leute von gestern wieder an morgen": https://youtu.be/sBDEedGhpYg (von 1982, aber erschreckend aktuell).

Von Ilan Pappe gibt's das Folgewerk "The Biggest Prison on Earth", in dem er bis zur heutigen Ziet geht und insbesondere die Zeit nach 1967 beschreibt, die weniger durch ein Ereignis gekennzeichnet ist als durch die systematische Errichtung einer Struktur von Vertreibung und Austausch ("a structure of displacement and replacement"), von der das "Mega-Prison"*) ein Teil ist. Allein schon die wenigen Karten am Ende sind erschütternd. Leider ist das Buch nicht einfach zu lesen: Schon das Vorwort (!) geht ins Detail von Ereignissen, deren Hintergründe er anscheinend als beim Leser bekannt voraussetzt. Aber vielleicht legt sich das im Laufe des Buches. Empfehlungen weiterer, idealerweise leichter lesbarer, Lektüre zum Thema (Finkelstein?, Wild?) von den hier Mitlesenden sind gerne willkommen. Und sei es auch nur, um die Bücher in die eigene Bücherei als Dokumentation aufzunehmen über Ereignisse, von denen heute schon keiner hierzulande wissen will und später erst recht niemand.

*) Pappe erläutert, warum er den Begriff "Mega Prison" für präziser hält und ihn dem sonst üblichen Begriff "Occupation" vorzieht.

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Liebe Petra Erler. Sie haben natürlich recht, der Verstand läßt sich nicht erschießen. Ja, und deshalb sind wir starrsinnig und setzen den Verstand bei allen Nachrichten ein. Und siehe da - er arbeitet zielstrebig. Wenn auch nicht in die von anderen gewünschte Richtung. Und das ist wahrlich zum Lachen in dieser Zeit. Also...immer schön wach bleiben.

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Meiner Meinung nach geht es bei der allgemeinen Kriegshetze nicht um eine wirkliche Bedrohung, sondern darum, die herrschende Schicht im Westen vor dem Volkszorn zu bewahren. Hier kommt alles zusammen: die katastrophale Coronapolitik, der wirtschaftliche Niedergang und der Genderwahn.

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ich bin mir da leider nicht sicher - Dass es auch darum geht, ganz einverstanden, zumindest scheint mir diese Aspekte im US-Wahlkampf eine ganz prominente Rolle zu spielen.

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hallo Frau Erler, ich bewundere Ihre scharfsinnigen Kommentare. Das Geplänkel, um die Möglichkeit, dass Putin die Nato angreift, hat einen realen Hintergrund. Die Nato erwägt schon lange, Russland selbst anzugreifen. Daher die Ostausdehnung. Man hätte Russland schon lange platt gemacht, wenn es nicht im Besitz von Massenvernichtungswaffen wäre. Das ist analog zum Irak. Der Westen fühlte sich bedroht und daher berechtigt einen Präventivschlag zu führen. Der Irak hatte allerdings keine Atomwaffen. Die einzige Bedrohung, die von Russland ausgeht, sind die Atomwaffen. Beim Stellvertreterkrieg ist das Thema Erstschlag im Fokus. Die neue Übung zeigt, dass man nach Beschuss mit Taurus mit einem Gegenschlag rechnet. Damit Sie mich einordnen können : lumpenpazifisten.de

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Vielen Dank, lieber Herr Doster für den link zu Ihrer website. natürlich habe ich mich flugs neugierig umgesehen.

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Liebe Petra Erler. Danke für den wie immer interessanten Beitrag. Ehrlich gesagt, fühle ich mich oft mit den vielen Nachrichten überfordert. Ein Glück, dass mit alternativen Medien das Propaganda Dauerfeuer in den ÖRR wenigstens eingeordnet werden kann. Aber es versauert mir jeden Tag und so viele Tage habe ich nicht mehr vor mir. Was für ein Trommelfeuer auf unseren Verstand. Ob an der "Ostfront" - was für ein Unwort - oder in Nahost. Es übersteigt mehr und mehr das Erträgliche. Und irgendwie lösen sich die Probleme nicht. Krieg muss einfach großartig sein für Regierungen und Rüstungsindustrie, eher weniger für die, die im Dreck liegen oder Bomber über sich sehen. Und statt alles zu tun, die Kämpfe zu beenden, wird tonnenweise Öl ins Feuer gegossen. Wer kann den Wahnsinn stoppen? Die momentan auf Straßen und Plätzen demonstrieren, haben jedenfalls keine Friedenssymbole bei sich. Immerhin sind langsam in den Tageszeitungen Ukraine-kritische Artikel zu finden. Wind of change? Das wäre zu hoffen.

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Liebe Brigitte, ich mag Ihre Hoffnung auf einen "Wind of Change" und auch Ihre Beschreibung vom "Trommelfeuer auf den Verstand" - so empfinde ich das auch. Und gleichzeitig bringt mich das aber auch immer wieder zum Lachen - Verstand kann man nicht zerschießen, den kann jeder nur selbst an der Garderobe abgeben und irgendwie sind wir starrsinnig, nicht wahr?

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Ich denke, die 'Russland greift uns bald an' Legende wird primaer geschuert um weiter mehr Geld fuer Ruestung zu bekommen, und um TV Zeit und Macht fuer die Sicherheitsexperten zu erhoehen und fuer lange Zeit zu sichern.

Russland und insb. Putin ist doch nicht bescheuert oder geschichtsignorant.

Er weiss ganz genau, wie unmöglich es ist eine feindlich gesinnte Bevoelkerung im Rahmen einer Besetzung zu managen.

Wozu sollte er das auch tun? Rohstoffe und Land hat Russland selber, es ist hoechstens an Absatzmaerkten und prosperienden Volkswirtschaften dort interessiert, welche die Laender und Bevoelkerungen nur in Eigenregie herstellen koennen.

Es gibt nur noch 3 Orte Richtig Westen an denen es russische Interessen und Konfliktpotenti gibt: Kaliningrad, Transnistrien und Estland.

In 2 von diesen Faellen haben es die Regierungen dort in der Hand den Konflikt nicht eskalieren zu lassen.

Litauen scheint das verstanden zu haben, Estland leider nicht. Wenn es dort kracht, ist wie in der Ukraine die Regierung dort hauptschuldig. Transnistrien ist eigentlich eh schon vergleichbar mit der Krim, ob es auch offiziell zur Einverleibung kommt haengt erstmal vom weiteren territorialen Verlauf in der Ukraine ab. Sinn wuerde es dann durchaus machen. Vielleicht kann man sich ja zur Abwechslung ja mal finanziell einigen statt kriegerisch.

Gefaehrlich und unberechenbar sind ergo primaer die schon rabide polnische und englische Russophobie.

Was die sachlich wollen und wozu es in diesen Laendern noch Aussenministerien gibt, erschliesst sich mir leider nicht mehr.

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Ich denke, dass nur es nur noch einen Ort eines möglichen Konfliktpotentials gibt, Kaliningrad, und das kann keiner, der bei Trost ist, wollen.

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