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Kostas Kipuros's avatar

2000, also vor nunmehr 23 Jahren, fiel mir mehr oder minder durch Zufall ein Buch des amerikanischen Politologen Chalmers Johnson in die Hände. Sein bezeichnender Titel lautet: „Ein Imperium verfällt. Wann endet das Amerikanische Jahrhundert?“ Ich fand seine Argumentation schon damals überzeugend, weil schlüssig. Und verblüffend, weil von einem US-Amerikaner dargelegt. (Nebenbei: Johnson startete seine Karriere nicht etwa als Peacenik, sondern als überzeugter Antikommunist im Dienste der CIA). Der Kern seiner These: Da die USA nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes statt für sich und den Westen die Friedensdividende einzufahren, Strukturen des Kalten Krieges aufrecht erhalten und noch weiter ausgebaut haben, kann es den Regierungen in Washington nicht um Frieden, sondern um imperiale Strategien gehen, mit denen um jeden Preis die globale US-Dominanz gesichert werden soll. Genau dieses Bestreben nach einer Dominanz wird laut Johnson aber den Untergang des Imperiums beschleunigt herbeiführen, weil es zu einer gigantischen Ressourcenvernichtung führt und die „Salden“ wie Verbrechen und Gräuel auf dem „Konto“ des Imperiums anwachsen lassen. Wie recht er doch hatte.

Afghanistan bombadierte die „Koalition der Willigen“ unter US-Führung zwei Jahrzehnte mit allen Waffen unterhalb der A-, B- und C-Kategorie, um die Taliban von der Macht zu vertreiben. Mit dem Ergebnis, dass eben diese Taliban noch immer/wieder an der Macht sind.

In Syrien unterstützten und unterstützen die USA seit 2011 jede noch so perverse islamistische Halsabschneidertruppe, um Assad von der Macht zu entfernen. Mit dem Ergebnis, dass Assad noch immer im Sattel sitzt und im Nahen Osten inzwischen wieder als Ansprechpartner gilt.

Im Iran bekämpfen die USA seit 1979 mehr oder minder verdeckt das theokratische Regime. Mit dem Ergebnis, dass eben dieses Regime noch immer regiert und sich inzwischen an den „Erzfeind“ Saudi-Arabien annähert. Die Beispiele ließen sich mit Venezuela (Maduro) oder Libyen fortsetzen, wo der Regimewechsel zwar Ghadafi eliminierte, jedoch nur um den Preis eines Failed State. (Den Aufstieg Chinas und den Bedeutungszuwachs Russlands seit dem Ende der Jelzin-Ära lasse ich bewusst weg.)

Inzwischen ist also nicht zu diskutieren, ob wir das Wetterleuchten einer multipolaren Welt sehen, sondern ob diese Zeitenwende friedlich gestaltet werden kann. Dass dies kein Automatismus ist, zeigt die immer aggressivere Politik des „Wertewestens“. Aber es zeigt vice versa auch die Notwendigkeit, uns als denkende Bürger einzubringen.

PS: Ein Danke an die scharfsinnige Autorin versteht sich von selbst, sei dennoch ausdrücklich vermerkt.

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Columba's avatar

Wieder mal danke, liebe Frau Erler.

Genaugenommen sind die achso hehren westlichen Werte, die gerne auch mit Bomben, Napalm, Uranmunition, Drohnen, inszenierten Putschen in die Welt getragen wurden/werden nichts anderes als die unter dem Deckmantel christlicher Werte-Mission und "Zivilisations"transfer über Jahrhunderte verfolgte Sklaverei-, Völkermord- und Ausplünderungspolitik, vulgo Neokolonialismus. Beeindruckend, wie immer mehr Politiker ehemals (offen) kolonisierter Länder westlichen Politikern die Stirn bieten, wie z.B. Lammert, der zurecht gewiesen wurde, als er auf die vielen chinesischen Geschäftsleute hinwies die im Gegensatz zu so wenig Deutschen im Lande tätig seien. Die Antwort war passend und ungeschminkt.

Gerade mit Ländern wie China und Russland im Rücken, das ja mit der Sowjetunion eine gewisse antikolonialistische Geschichte hat, lassen sich die Länder dieses arrogante Herrenreiter-Gebaren westlicher Politiker immer weniger gefallen.

Nun wird sich erweisen, ob der wankende US-Hegemon die Welt lieber in den Abgrund reißt als eine multipolare Erde zuzulassen.

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