Ein US-„Manifest für Frieden“ – „Die USA sollten eine Kraft für den Frieden sein."
Wie die Realitätsverweigerung im Ukrainekrieg uns einer nuklearen Auslöschung näher bringt
Für meine Schwester, damit sie noch viele Geburtstage feiert.
15 US-Bürger haben sich zusammengeschlossen, erfahrene Militärs, erfahrene Diplomaten und Sicherheitsexperten. Mit Hilfe der Eisenhower Foundation veröffentlichten sie einen offenen Brief in der New York Times. Sie fordern die sofortige Aufnahme von Verhandlungen zur Beendigung des Krieges in der Ukraine.
https://eisenhowermedianetwork.org/russia-ukraine-war-peace/
Die USA sollten eine Kraft für den Frieden sein, so lautet die Kernforderung der Unterzeichner.
Keine große Medienanstalt in den USA hat diesen Aufruf erwähnt, und folglich hüllen sich auch die europäischen bzw. deutschen Medien in Schweigen.
Denn die Verfasser dieses Aufrufes sind Dissidenten vom herrschenden Narrativ, dieser Krieg sei vom Himmel gefallen, Ausdruck von russischem Imperialismus und ungezügelter Aggressivität gegen alles, was die autoritäre Herrschaft Putins bedrohe.
Dem Aufruf ist eine Zeitachse beigefügt, die zeigt, wie der Konflikt begann: Mit dem gebrochenen Versprechen, die NATO nicht zu erweitern, das 1990 der Sowjetunion im Zuge des deutschen Einigungsprozesses gegeben wurde. Man kann es nicht oft genug wiederholen, dass die Sowjetunion gegenüber Deutschland in Vorleistung trat und sich diese Vorleistung aus russischer Sicht bitter rächte.
Heutzutage will man über russische Sichtweisen nichts hören, denn die sind abwechselnd „paranoid“, „verlogen“ oder völlig ungezügelt.
Tatsächlich ist auch das eine große Lüge, denn Russland hat immer wieder gewarnt, dass der westliche Griff nach der Ukraine das Land zerreißen und Russland in eine Ecke treiben könnte, in der es nicht sein wollte.
Wenn wir heute über den russischen Krieg in der Ukraine sprechen, sprechen wir auch über die Tatsache, dass Moskau aus militärstrategischen Gründen die Krim nicht den neuen Herren in Kiew überließ, und dass die Mehrheit der Ukrainer im Donbass und auf der Krim Kiew nicht als Befreier ansehen, sondern als Bedrohung. Wir sprechen über die Tatsache, dass eine nationale Aussöhnung in der Ukraine zwischen den in Kiew regierenden Kräften und dem abtrünnigen Donbass scheiterte und dass dieses Scheitern Teil des westlichen Kalküls war (Poroschenko, Hollande, Frau Merkel waren so frei, das mitzuteilen).
Die Autoren des Aufrufs haben eine Schautafel angehängt, die zeigt, wie sich die NATO immer näher an die russischen Grenzen vorschob. Sie fragen, was in den USA ablaufen würde, wenn sich russische oder chinesische Waffen in unmittelbarer Nähe zur amerikanischen Grenze offen platzierten. Es ist eine rhetorische Frage. Denn aus der Kuba-Krise wissen wir, was in den USA abläuft, wenn in ihrer Nähe der „Feind“ auftaucht. Ein Artikel im Harper Magazine erinnert daran.
https://harpers.org/archive/2023/06/why-are-we-in-ukraine/
Diese 15 machen sich keine Illusionen – es ist ein Stellvertreterkrieg zwischen den USA und Russland, der auf dem Buckel des ukrainischen Volkes und möglicherweise seiner Zukunft ausgefochten wird.
Democracy Now sprach mit dem Generalsekretär der Eisenhower Foundation zum Hauptbeweggrund, warum dieser öffentliche Aufruf notwendig schien.
Er, der seit seinem 22. Lebensjahr offenbar im Pentagon ein- und ausging, erklärte, noch niemals zuvor wäre er so besorgt gewesen, dass dieser Stellvertreterkrieg in einem Nuklearkrieg münden könnte. Mit jedem Tag, jeder neuen Waffenlieferung wächst die Gefahr, dass es zu falschen Einschätzungen, Missverständnissen oder aber auch zu einem „Befreiungsschlag“ kommen könnte. Er findet es unmoralisch, dass die Waffenlieferanten Profit einstreichen, während ihr Gerät Menschen tötet (wie es aussieht, vor allem Ukrainer).
Wenn das so weitergeht, so seine Furcht, könnte am Ende die Ukraine aufhören, zu existieren.
Auch diese Gefahr ist real, man will sie nur nicht sehen.
Die aktuelle westliche Politik läuft in die Gegenrichtung. Es gibt fast keine roten Linien mehr. Jetzt soll die Ukraine auch die Waffen bekommen, die ihr theoretisch tiefe Schläge in Russland erlauben würden. Inzwischen wird auch über F-16 gesprochen. Eine neue Runde völlig völkerrechtswidriger Sanktionen soll das Wunder schaffen, das nicht gelang: Russland zu ruinieren.
Über diplomatische Initiativen redet keiner, und wenn, allenfalls abfällig, denn das Ziel ist ja nicht erreicht: die substantielle Schwächung Russlands bzw. der regime change. Was einst versehentlich dem Mund des US-Präsidenten entschlüpfte (Putin muss gehen) ist heute Staatsraison der Ukraine, und die EU hat sich daran gebunden.
Das alles verheißt nicht sehr viel Gutes. Es ist auch nicht wahrscheinlich, dass das US-stämmige „Manifest für Frieden“ zur Wende führt, jedenfalls solange nicht, solange ein Zustand vorherrscht, in dem die kühle Logik und ein natürlicher Überlebenswillen vollständig abwesend zu sein scheinen.
Warum bemerken nur so wenige die pervertierte Situation? Während der Pandemie trieb die Angst um Leib und Leben so viele um, selbst wenn diese Angst in vielen Altersgruppen völlig überhöht war. Aber bei Nuklearwaffen bleibt man cool, wo die Wissenschaft doch ganz eindeutig ist?
Bei Covid, selbst im schlimmsten, angenommenen Fall (der sich als falsch rausstellte), wurde mit 3,4% Todesfällen gerechnet. Eingesetzte Nuklearwaffen überleben wir nicht als Zivilisation.
In der Washington Post war nachlesbar, dass die russische Seite die militärische Übermacht hat. Was glauben wir also, wer gewinnt?
In der Washington Post war nachlesbar, dass der ukrainische Präsident Schläge gegen Russland erwog und auch die Zerstörung einer Pipeline zwischen Russland und Ungarn. Das alles wurde natürlich von Kiew dementiert, so wie Kiew dementierte, der ukrainische Präsident habe nach einem nuklearen Erstschlag der NATO gerufen (und doch hat er es getan).
Das ist der „mindset“. Es ist nicht die Gemütsverfassung eines Gewinners, der selbstbewusst auf der Siegerstraße marschiert. Auch das wollen wir nicht sehen. Aber auch das könnte drohen – Jahre des Terrors auf europäischen Boden oder von Waffen, die jeder Kontrolle entfleuchten.
Vor allem aber wollen wir nicht darüber nachdenken, was der Herrscher im Kreml im Juli 2022, also nach Beginn der Aggression und nach dem westlich provozierten Scheitern der Verhandlungen, vor der Duma sagte:
“Today we hear that they want to defeat us on the battlefield. Well, what can I say? Let them try.”
Übersetzung:
„Heute hören wir, dass sie uns auf dem Schlachtfeld besiegen wollen. Nun, was soll ich sagen? Lasst sie es versuchen.“
Das sagte Putin nach so vielen Jahren vergeblicher Bemühungen, Gehör zu finden. Und an die Adresse all derer, die jetzt möglicherweise aufjaulen wollen, à la Ossi und pro-russische Denkweise: Das Denken des Kremls in Rechnung zu stellen, ist ein Zeichen von geistiger Gesundheit, ein Zeichen einer Bereitschaft zur Diplomatie und zum Zusammenzuleben, Konflikte zu haben und friedlich auszutragen. Was Euch infiziert hat, ist blinde Wut. Die ist nie ein guter Ratgeber. Eure Strategie führt direkt in die Destabilisierung des europäischen Kontinents.
Wir leben nun schon so lange mit dem Wissen, dass sich zwei nukleare Supermächte wechselseitig atomar bedrohen. Sicherheit produziert das nicht. Wir sollten auch nicht vergessen, dass atomare Waffen der USA in Europa stationiert sind, die sich auf Russland richten bzw. richten können, und die Vorwarnzeiten werden immer geringer. Denn wir haben den Mittelstreckenraketenvertrag verloren. Inzwischen haben wir fast oder vielleicht schon alles verloren, was einem Endzeit-Rüstungswettlauf im Wege steht. Ein Teil des Dramas ist, dass das nicht auf der ersten Seite der Süddeutschen Zeitung oder als Spitzenmeldung bei der ARD aufscheint. So werden Fakten zu „Randmeinungen“ gemacht.
Was auch gesichert ist, ist, dass bereits im Jahr 2017, als die Gefahr eines Nuklearkrieges zwar schon bedrohlich hoch war, aber nicht so hoch wie heute, im Bulletin of Atomic Science zu lesen war: Wenn weise Politiker nicht das Heft des Handelns in die Hand nehmen, um die Welt von der Schwelle der nuklearen Katastrophe wegzuführen, müssen es weise Menschen tun.
https://thebulletin.org/files/Final%202017%20Clock%20Statement.pdf
Man muss dafür nicht weise sein im strikten Wortsinn. Wer ist das schon, außer ganz wenigen?
Man muss nur leben wollen. Man muss nur Zukunft wollen, für die eigenen Nachkommen oder die, die anderer Menschen Frucht sind. Zukunft wollen für alles, was unsere Erde bevölkert bzw. auf ihr wächst und gedeiht.
Um diese Zukunft droht uns die aktuelle Politik zu bringen, auch die aktuelle deutsche Politik.
Ich weiß nur nicht genau, warum: Weiß sie es nicht besser, ist es ihr egal, oder lebt sie in einem Paralleluniversum, in dem alles so ist, wie sie glaubt?
Danke, liebe Petra!!! Ich fühle mich geehrt und zutiefst bewegt. Ein schöneres (und klügeres) Geburtstagsgeschenk hätte mir niemand machen können.
Liebe Petra Erler,
wieder mal sehr lesenswert.
Zur Frage in Ihrem letzten Satz (...warum?): Meine Antwort - Diese Regierung ist fremdinstalliert! Ihre in anderem Zusammenhang erwähnten "Sicherheitsmechanismen" sind ein fake, sie funktionieren schon lange nicht mehr.
Innerhalb von "Parteien" aufgepäppelte junge Menschen, die am Gymnasium alles Wissenswerte abgewählt haben und beim Studium dann kläglich versagten, werden über parteieninterne Karriereleitern unter Zuhilfenahme des untauglichen Versuches von "Demokratie" (über "Wahlen") durch gewisse Zirkel (z.B. young global leaders) in Verantwortung gehievt, der sie dann nicht entsprechen können.
Das ist aber kein Versehen, es ist Absicht! Interessierte Kreise erklären tagtäglich, dass jede Demokratie, die nicht so ist, wie die westliche, gar keine eigentliche sei - das Gegenteil ist wahr: die westliche Demokratie ist eine Karikatur auf Demokratie, die nur dazu bestimmt ist, die Interessen bestimmter Kreise umzusetzen - unter dem Codewort "wertegeleitete Politik" werden fremde Interessen bedient. Wertegeleitet stimmt natürlich - aber diametral anders als vorgegeben.
DESHALB macht die aktuelle Bundesregierung Politik gegen die Deutschen und deren Interessen!