12 Comments
author

Oh oh, liebe Antje - was würde ich ohne Dich sein und Deinen kritischen Blick auf die deutsche Sprache und meine Verhunzung! DANKE

Expand full comment

Das menschliche Miteinander besteht hauptsächlich (aber nicht nur) aus Sprache – sie bestimmt die Denkrichtung der Menschen in vielerlei Weise. Gut belegte Forschung zeigt etwa, wenn Probanden vom Älterwerden erzählt wird, dass sich Versuchspersonen danach signifikant langsamer fortbewegen. Andersherum vermitteln positiv besetzte Begriffe wie „Unabhängigkeit“ oder „Sicherheit“ gute Gefühle mit Bestätigungscharakter. Wirtschaft und Politik machen sich das durch geeignete Kommunikation zu Nutze. Das geneigte Publikum soll mittels „Hochwertwörter“ Gefühle entwickeln, die tendenziell Zustimmung auszulösen.

Die „Börse vor Acht“ bot dafür gestern ein schönes Beispiel. Markus Gürne lobte angesichts der schwerwiegenden Folgen der Sanktionspolitik - die viele Länder des Südens und uns heftig treffen werden - die „neue Unabhängigkeit“ Deutschlands vom russischen Gas. Was er nicht sagte, dass diese Unabhängigkeit uns teuer zu stehen kommen wird und eine tiefe Rezession und langfristige weltweite wirtschaftliche Verwerfungen nach sich ziehen könnte.

Die „neue Unabhängigkeit“, die bei genauem Hinschauen treffender neue Abhängigkeit genannt werden sollte, kostet mehr, fesselt uns mindestens mittelfristig an die USA stärker als je zuvor und wird geopolitische Spielräume Deutschlands auf die Größe einer Dollarnote festlegen. Industrien, die es können, werden in die USA abwandern wegen der dort wesentlich preiswerter zu bekommenden Energie oder dorthin, wo auch langfristig mit sehr geringen Löhnen Gewinne bei hohen Energiekosten möglich sind. Das unschöne Wort dafür heißt Deindustrialisierung. Das nehmen die Wellness-Päpste aus Funk-, Zeitungs- und anderen Häusern natürlich nicht in dem Mund. Solange die Mikrophone angeschaltet sind, beschwören die Weglächlerinnen, Berufsopportunisten und -Optimisten die strahlende Zukunft einer Industrie mit den Erneuerbaren. Wie steinig und lang der Weg ist und wer dabei vielleicht auf der Stecke bleibt, geht im Smalltalk visionärer Fernsehrunden unter.

Wenn dann mal wieder zwischendurch jemand Inflation skandiert, dürfen die Russophoben mit einer dankbaren Projektionsfläche übernehmen; manchmal tut es aber auch schon ein „Spring-ins-Feld-Teufelchen“ - wenn kein Russe in der Nähe ist - so Steinbrück als Finanzminister, als die Weltfinanzkrise "über uns herfiel". Gelernt ist eben gelernt.

Expand full comment

Danke liebe Petra Erler für Ihre Ausführungen.

Ich möchte noch hinzufügen dass ein jeder Inflation zumeist eine Periode vorangeht, in der Zentralbank-Geld wie aus Gieskannen ausgeschüttet wird. Gar zu selten wird dieses Kapital für produktive Zwecke genutzt – wie es auch leider diesmal (seit 2010/11) der Fall war. Stattdessen verschwindet es für länger in irgendwelchen Steueroasen, steht für den Rückkauf von Aktien den Unternehmern zur Verfügung. So zumindest in der westlichen Welt.

Um unser geliebt/gelebtes demokratisches Dasein aus den nebeligen Niederungen seiner Pseudoexistenz zu heben, bedarf es vermehrter politischer Bildung der Wähler um eben aus den vielerlei Fehlern der Vergangenheit zu lernen und das Bewusstsein der Wähler zu schärfen.

In dem aktuellen Fall liegen die Gründe der Inflation weniger an der Marktwirtschaft selbst, als an den Einschränkungen der Marktwirtschaft durch die von EU und den USA auferlegten Wirtschaftssanktionen, welche zu einer künstlich geschaffenen Angebotsverknappung der fossilen Brennstoffe (im Gegensatz zu einer Nachfragesteigerung) führen.

Bedauerlicherweise wird auf deutschen Schulen kaum noch etwas über die Verfassung gelehrt, schon gar nicht allgemeine Grundsätze der Ökonomie beziehungsweise auch der alternativen Ökonomie. Somit wird das Lernen aus den vergangenen Fehlern nicht gerade einfacher. Ein effektives Korrektiv – wie durch Wahlen – zur Selektion der politischen Elite in Exekutive Funktionen bleibt somit vielleicht nicht verwehrt, zu mindestens aber erschwert.

Nochmals danke, liebe Frau Erler, für Ihre Ausführungen.

Mit freundlichen Grüßen

Expand full comment
Nov 8, 2022·edited Nov 9, 2022

... und nicht zu vergessen, auch der ökologische Fußabdruck, den die Digitalisierung im Sinne der Machterhaltung und Kontrolle in der Welt hinterlässt. Der enorme Datentransfer, der Handel damit - zu welchen dubiosen Zwecken. Ich bin selbst niemand, die Bilderstürmerei betreiben würde, ich weiß, wie wichtig Digitalisierung ist und sein kann, wie sie einem die Arbeit und die Kommunikation erleichtern kann - aber auch sie wurde zu einem Dogma erhoben. Das papierlose Arbeiten ist nicht immer auch wirtschaftlich und schon gar nicht ökologisch. - Aber das nur nebenbei, denn es ist nicht der Kern dieses wie immer trefflich und treffend geschriebenen Beitrags. Ja, gut dass inzwischen auch gewichtige Medien Verhandlungen fordern - die Staaten müssen zusammengehen. Es gilt, Probleme anzupacken, die für die gesamte Welt existenziell sind. Wie ichg schon seit langem sage: Es ist keine Zeit mehr, Kriege anzuzetteln und zu füttern. Danke Petra.

Expand full comment