Das „eher rattenhafte“ Gesicht des Herrn Putin oder wie der Historiker Ash eine Quelle fälschte
Russland, Ukraine, der Bergedorfer Gesprächskreis Nr. 101 von 1994
2022 tauchte im Hamburger Abendblatt eine Erinnerung an das (angeblich unerträgliche) Benehmen von Putin im Jahr 1994 in Hamburg auf.
Das Hamburger Abendblatt bot auch ein Foto des damaligen unbekannten stellvertretenden Bürgermeisters von Sankt Petersburg auf. So sah er also aus, dieser Putin, damals 1994.
Timothy Garton Ash, der von so vielen geschätzte und auch so häufig zitierte britische Historiker, Schriftsteller und Publizist, traf im gleichen Jahr Putin in Sankt Petersburg. 2023 erinnerte er sich rückwirkend an dessen „eher rattenhaftes Gesicht.“ (Es ist laut le Express Teil seines neuen Buches „Homeland“.)
https://www.derstandard.at/story/2000003401831/putins-toedliche-schutzdoktrin
sowie
Das war das Erste, worüber ich stolperte. Wenn es um Putin geht, ist offenbar nichts mehr „off limits“. Es folgte auch kein „shitstorm.“ Obwohl es sich grundsätzlich verbietet, einen Menschen mit Ungeziefer in Verbindung zu bringen. Von einer solcher gedanklichen Grundlage führt der Weg historisch zur Legitimierung von Ausrottung. Das ist unverstellte Bösartigkeit, elementarer Menschenhass, der alle verbindet: den, der so sprach, den, der das kommentarlos aufschrieb oder gedankenlos nachplapperte und den, der das kommentarlos zur Verbreitung freigab.
Ash verband die Aussage zum Aussehen Putins geschickt mit einer alarmierenden Nachricht, wie er diesen damals noch unbekannten Mann in Petersburg während einer Konferenz, die die Körber-Stiftung 1994 ausrichtete, erlebte, was sich angeblich sofort und unauslöschlich in Ashs Gedächtnis grub.
Laut Standard nahm Ash halb schlafend an dieser Konferenz teil. Aber dann wurde dieser „hellwach“, weil Putin über die Russen sprach, die nun außerhalb Russlands lebten. Russland könne diese 25 Millionen nicht einfach ihrem Schicksal überlassen. Die Welt müsse die Interessen des russischen Staates respektieren, "und die des russischen Volkes als einer großen Nation".
https://www.derstandard.at/story/2000003401831/putins-toedliche-schutzdoktrin
In der Frankfurter Rundschau las sich das so:
Frage: (Michael Hesse) „Sie trafen Putin in den 1990er Jahren und beschrieben ihn als einen kleinen untersetzten Mann mit einem rattenähnlichen Gesicht, der davon sprach, dass die Krim zu Russland gehöre. Welchen Eindruck hatten Sie von ihm?“
Antwort:„Ich hatte ihn (Anm.: Putin) kaum wahrgenommen, bis er sprach. Aber als er sprach und sagte, es gibt Territorien, die historisch immer russisch waren, wie die Krim, und Russland müsse daher etwas für deren Rückkehr tun, da war ich wirklich aufgeschreckt. Das habe ich nie vergessen. Denn das ist der Schlüssel zum Verständnis dessen, was heute in der Ukraine passiert.“
https://www.fr.de/kultur/gesellschaft/putin-historiker-timothy-garton-ash-vergleich-mit-hitler-ukraine-krieg-russland-europa-interview-92294815.html
Was hatte Putin damals gesagt? Das Wort-Protokoll der besagten Konferenz befindet sich im Archiv der Körber-Stiftung. Auf Anfrage bekommt man es unverzüglich.
Fünfundsechzig Seiten führen zurück in eine andere Zeit. In eine Zeit guten Willens und großer Gesprächsbereitschaft, aber auch großer Unwägbarkeiten und sich anbahnender Missverständnisse. Viele kluge und auch nachdenkliche Gedanken wurden geäußert (Nebenbei: Herr Ash hätte besser zugehört, als halb zu schlafen).
In vielen Äußerungen westlicher Vertreter (Herr Ash eingeschlossen) schimmerte jedoch auch schon damals durch, dass die allermeisten von den immensen Herausforderungen des postsowjetischen Raums, der gleichzeitig die Auflösung der Sowjetunion und eine Systemtransformation zu meistern hatte, nicht die blasseste Ahnung hatten. Einer der Konferenzteilnehmer zeigte sich irritiert, dass zwar Petersburg wieder Petersburg heiße, aber das Gebiet weiter „Leningrader Oblast“. Glaubte der etwa, dass Russland die Erinnerung an die deutsche Blockade und das Aushungern von Leningrad völlig streichen würde? Aber das nur zur Illustration und nur ganz am Rande.
Entscheidend ist, was damals Putin wörtlich sagte (Bergedorfer Gesprächskreis 101, S. 37):
„Hier ist angeklungen, daß die Politik von Präsident Gorbatschow die Liquidierung des sowjetischen Imperiums bewußt angestrebt habe, und die heutige russische Führung ihre Prioritäten nicht definieren könne. Ich halte diese Meinung für vollkommen abwegig. Die Politik des Zentralkomitees der KPdSU mit Gorbatschow an der Spitze war auf ganz andere Ziele gerichtet, nämlich auf die Erhaltung der Kommunistischen Partei und der UdSSR. Daß sie mit ihren ungeschickten Handlungen dann tatsächlich den Zerfall der Sowjetunion herbeigeführt haben, ist ein anderes Problem.
Was die veränderte Prioritätensetzung und die Verlagerung der Akzente in der Sicherheitspolitik der heutigen russischen Führung betrifft, so teile ich die Ansichten von Herrn Pain. (Anm.: Laut Teilnehmerliste damaliger Leiter der Arbeitsgruppe für Nationalpolitik des Prasidialrates Moskau und Leiter des Analytischen Zentrums beim Präsidenten Rußlands.)
Zu den Schwierigkeiten mit einer doppelten Staatsangehörigkeit und den Problemen der russischsprachigen Bevölkerung in den ehemaligen Sowjetrepubliken möchte ich nur anmerken, daß diese Gruppen nicht, wie hier behauptet wurde, in die Republiken der ehemaligen Sowjetunion eingedrungen sind, sondern eingedrungen ist seinerzeit die Sowjetmacht. Insofern sind die Russen ebenso ein Opfer der Sowjetmacht, wie auch die anderen Völker, die die Sowjetunion besiedelten. Die Deutschen zum Beispiel, die jetzt Kasachstan verlassen, sind dort doch nicht eingedrungen; sie wurden dorthin zwangsweise umgesiedelt, wie unsere deutschen Kollegen sehr wohl wissen.
Eine doppelte Staatsangehörigkeit kann natürlich nicht von heute auf morgen eingeführt werden. Wenn Rußland aber mit diesem Thema jahrelang konfrontiert werden sollte, verstehe ich die russische Führung, wenn sie dem nicht zustimmt. Schließlich hängt dieses Problem mit anderen territorialen Fragen zusammen.
Vergessen Sie nicht, daß Rußland im Interesse der allgemeinen Sicherheit und des Friedens in Europa freiwillig riesige Territorien an die ehemaligen Republiken der Sowjetunion abgegeben hat; darunter auch solche Territorien, die historisch immer zu Rußland gehört haben. Ich denke dabei nicht nur an die Krim oder an Nordkasachstan, sondern beispielsweise auch an das Kaliningrader Gebiet. Die Folge ist, daß jetzt plötzlich 25 Millionen Russen im Ausland leben, und Rußland kann es sich einfach nicht leisten - allein schon im Interesse der Sicherheit in Europa;-, daß diese Menschen willkürlich ihrem Schicksal überlassen bleiben. Es gibt in der neueren Geschichte ja andere Beispiele für eine doppelte Staatsangehörigkeit, etwa in Israel. Solange aber die Weltgemeinschaft die berechtigten Interessen des russischen Staates und des russischen Volkes als einer großen Nation nicht achtet, werden in diesem Land, in dieser Nation immer wieder solche Kräfte auftauchen, die die Stabilität in Rußland bedrohen. Ich gebe denen recht, die davon sprachen, daß ein stabiles Rußland wahrlich im Interesse aller liegt.“
Das, was Putin damals sagte, entspricht nicht dem, was Ash 2023 gegenüber Medien postulierte. Es entspricht auch nicht dem, was Ash 2014 in der NYT schrieb, denn dort tauchte die Geschichte meines Erachtens zum ersten Mal auf.
Der Historiker Ash beging eine Todsünde seiner Profession. Er fälschte die Quelle.
Laut Protokoll widersprach Ash 1994 auch Putin nicht ausdrücklich. Was er im weiteren Verlauf der Konferenz zu Englisch und England sagte, traf meines Erachtens nicht den Kern des Problems, auf das zunächst Pain hingewiesen hatte: Ethnische Spannungen im ehemaligen postsowjetischen Raum wirken auf Russland zurück. Sie sind ein Problem für die russische Sicherheit und in der Folge auch für die europäische Sicherheit. Russland könne und müsse daher vermittelnd wirken. Wenn Russland aber den demokratischen Weg verlassen und Nationalismus regieren würde, wird es gefährlich, so damals Pain.
Auch Putin sprach 1994 ein reales Problem an, das er später immer wieder hervorhob und das noch später absichtlich vom Westen missverstanden, verkürzt und verfremdet wurde. 2004 bezeichnete Putin den Kollaps der Sowjetunion als „die größte geopolitische Katastrophe des Jahrhunderts“. Dadurch, so Putin weiter, entstand das Problem großer russischer Minderheiten, die sich über Nacht in einem anderen Staatsbezug wiederfanden, und auch der Separatismus in Russland sei so befeuert worden. 2004 wurde das von NBC noch korrekt und im Zusammenhang berichtet.
https://www.nbcnews.com/id/wbna7632057
Die drei Auflöser der Sowjetunion (Belarus, Russland, Ukraine) wollten ursprünglich keine schwärenden Minderheitenprobleme schaffen und erfanden deshalb die GUS. Aber die drei baltischen Staaten beteiligten sich nicht daran, und auch die Ukraine nahm schnell Abstand vom Plan. Bestimmte Regelungen im Freundschaftsvertrag zwischen Russland und der Ukraine aus dem Jahr 1997 anerkannten jedoch den großen Regelungsbedarf. Auch den gescheiterten Minsk-Abkommen lag eine solche Anerkennung zugrunde.
Die EU erkannte das Problem der großen russischen Minderheiten in den baltischen Staaten im Erweiterungsprozess ausdrücklich an. Teil der EU-Erweiterung war, dass die Rechte der russischen Minderheiten in allen drei Staaten, aber vor allem in Estland und in Lettland, ungeschminkt besprochen wurden, sowohl mit den betreffenden Ländern, aber auch mit Russland.
Ein Mindestmaß an Rechten wurde schließlich im Zuge der EU-Erweiterung garantiert. Mehr nicht. Gerade so, dass es den Vorgaben des Europarates einigermaßen genügte.
Zu schwer lastete die Vergangenheit über allem, sowohl die ausgesprochene als auch die verschwiegene. Die baltischen Staaten wurden Opfer des Ribbentrop-Molotow-Paktes. Stalins Terror hat auch dort gewütet. Sie fühlten sich in der Sowjetunion nicht als Herr im eigenen Haus. Das alles haben sie weder vergessen noch vergeben. Bis heute nicht. Gleichzeitig sind bis heute die hässlichen Seiten ihrer nur kurz andauernden nationalen Unabhängigkeit und ihre Hoffnungen, die sie auf Nazi-Deutschland setzten, fast komplett ausgeblendet. So kam nie ein Prozess der Aussöhnung zustande. Auch das gelingt nicht gegen, sondern nur mit Russland.
Nun, so liest man, will Lettland (wegen des Ukraine-Krieges) bis 2025 die gesamte russische Sprachausbildung in der Primärschule einstellen.
https://www.brusselstimes.com/298207/latvia-to-end-classes-in-russian-in-primary-schools-by-2025
2020/21 hatte Lettland immerhin garantiert, dass die fünf großen ethnische Minderheiten (Esten, Polen, Russen, Ukrainer, Weissrussen) Unterricht in der eigenen Sprache, Kultur und Geschichte erhalten. Insgesamt betrifft es 28% der Schülerinnen und Schüler des Landes.
https://eurydice.eacea.ec.europa.eu/national-education-systems/latvia/overview
Eine kurze Dokumentation von Radio Free Europe aus dem Jahr 2014 erläuterte das Kardinal-Problem der starken russischen Minderheit in Lettland sachlich und relativ ungeschminkt: Teil der Anstrengungen um die Wiedergewinnung der nationalen lettischen Identität war, dass ethnische Russen (etwa ein Drittel der Einwohner Lettlands) nur ein Aufenthaltsrecht bekamen, nicht aber automatisch die Staatsbürgerschaft. So wurden sie zu Bürgern „Zweiter Klasse“, und es spielte keine Rolle, ob sie in Lettland geboren waren oder nicht.
Die EU-Erweiterung hat das nicht lösen können, aber die Hoffnung war, dass der gewährte Minderheitenschutz Schlimmstes verhindert. Das gelang.
Jedoch, nur schlichte Gemüter sehen im Umgang mit einer ethnischen Minderheit allenfalls ein Sprachproblem und nicht die ganze Komplexität von Geschichte, Kultur und Identität und das damit ebenfalls verbundene Konfliktpotential. Denn anders als in den USA, die sich als „Schmelztiegel“ verschiedener Ethnien begreift, verlief die Nationalstaatsbildung in Europa nach ethnischen und auch konfessionellen Kriterien. Vertreibungen, Verfolgungen, zwangsweise Umsiedlungen von Minderheiten gehörten zu den politischen Rezepturen Europas vor und auch noch nach dem Zweiten Weltkrieg. Alle heutigen ungelösten europäischen Konflikte in Europa verlaufen anhand ethnischer Linien. Fast alle sind ein Nebenprodukt der Auflösung der Sowjetunion, während ihre Wurzeln tief in die Geschichte reichen.
Aber das ist ein anderes Thema. Das heutige Thema betrifft den Verlauf einer Konferenz von 1994, die niemanden mehr interessierte, bis sie der Historiker Ash aus der Tasche zog, in der Annahme, dass er damit durchkommt. Denn wer würde wissen wollen, wer damals was gedacht und gesagt hat? Wer würde diesen Faktencheck machen?
So folgte Ash den Spuren vieler anderer, darunter auch der des heutigen US-Präsidenten Biden.
Dem fiel erstmals 2014 ein, dass er 2011 Putin in die Augen geblickt und darin keine Seele entdeckt habe. Dies hätte er seinem Gegenüber auch unverhohlen ins Gesicht gesagt. Biden wiederholte diese Erinnerung 2021. Putin hätte ihm damals geantwortet: Ich sehe, wir verstehen uns. 2021 fügte Biden hinzu, er halte Putin für einen Mörder.
Reuters berichtete 2011 über die Begegnung zwischen Biden und Putin, mit Foto. So sehen also zwei hochrangige Politiker aus, die nichts voneinander halten.
https://www.reuters.com/article/us-russia-usa-biden-idUSTRE7293LQ20110310
Öffentlich sagte Biden 2011: “Aber die sehr gute Nachricht ist, dass der Präsident (Anm.: gemeint war Obama) und ich in der Frage der Notwendigkeit immer enger werdender Beziehungen zu Russland hundert Prozent übereinstimmen.“
Der Reuters-Bericht schloss ab mit Bidens Lobeshymne auf Russland:
“Ich will ihnen sagen, warum wir hier sind: Russland hat die besten Ingenieure der Welt. Russland hat geistiges Kapital. Russland ist eine große Nation.“
Wie sich doch die Zeiten ändern, und mit ihnen die Erinnerungen, die sich krümmen und verzerren, bis sie schließlich zu einem neuen Zeitgeist werden. Aus dem “Mörder Putin”, dem Menschen, der angeblich an allem ganz allein schuld ist (quasi als omnipotentes Böses), ist inzwischen der mit dem „eher rattenhaften Gesicht“ geworden, der angeblich schon 1994 daran dachte, die Ukraine zu überfallen.
Der Skandal besteht darin, dass kaum einer den Skandal bemerkt.
PS:
Ich danke der Körber-Stiftung für die schnelle Übersendung der Mitschrift des 101. Gesprächskreises von 1994 und vor allem dafür, dass sie diese Gespräche führte. Heute wären sie nötiger denn je.
Liebe Petra Erler! Um ehrlich zu sein, habe ich es inzwischen aufgegeben, in politischen Debatten an die Kraft von Argumenten, Fakten und Logik zu glauben. Wenn es um die Stigmatisierung Russlands, ob seiner herrschenden Klasse, seiner Bevölkerung, Kultur oder Geschichte geht, ist offensichtlich jede verbale Entgleisung - natürlich von der Kanzel höherer Moral gepredigt - gerade gut genug, um medial ventiliert zu werden.
Bemerkenswerterweise fällt es den Moralkeulen schwingenden „Werte-Ethikern" nicht einmal im Ansatz auf, dass sie sich dabei des selben Wortschatzes, der selben Klischees und der selben Feindbilder bedienen, die bereits unselige Vorgänger benutzten - und von denen man sich bei anderen Gelegenheit so heftig distanziert. So wurde aus den „Saugriechen“ der Nazis der „Pleitegrieche“ der empörten deutschen Medien. Und so wurde aus dem „russischen Untermenschen“ Goebbels der aktuelle Russe, der zwar wie ein Europäer aussieht, in Wirklichkeit jedoch gar keiner ist. Von dieser Entgleisung einer sich anmaßend und völlig zu Unrecht als Expertin auftretenden Politologin bis zur Unterstellung, Russen sähen zwar wie Menschen aus, seien jedoch in Wirklichkeit keine, ist es nur ein kleiner Schritt. Ist es wirklich zu weit hergeholt, zu fragen, ob genau dies nicht auch beabsichtigt ist?
Es geht natürlich auch „konzilianter“. Kürzlich entleibte sich Alexander Osang intellektuell, als er bei spiegel-online fragte, ob man noch Tolstoi oder Dostojewski lesen könne, ohne dabei an Putin zu denken. Um ehrlich zu sein, habe ich an dieser Stelle aufgehört zu lesen, vermag also nicht zu beurteilen, mit welcher Conclusio Osang den Leser entließ. Aber bereits die Frage wird in ihrer ganzen Absurdität deutlich, wenn man sie einfach auch mal anders stellt. Vermag man etwa US-amerikanische Autoren lesen, ohne an My Lai zu denken? Oder - ein paar Entrüstungsstufen niedriger - sollten wir unseren Protest gegen die unipolare Dominanz der USA und ihres derzeitigen Ober-Protagonisten, Biden, mittels eines Boykotts geschätzter, sehr typischer amerikanischer Kultur-Produkte zum Ausdruck bringen? Also, kein Blues, kein Jazz mehr?
Vielleicht ist es Resignation, vielleicht aber auch Realismus, wenn man sich zunehmend Debatten verweigert, bei denen das nichtige Ergebnis von vornherein feststeht. Aber gerade deshalb verdient Ihre unermüdliche Arbeit höchsten Respekt und natürlich Rezeption sowie Weiterverbreitung.
Danke für's Nachverfolgen dieser Fälschung anhand der Originalquelle. Offenbar finden diejenigen Historiker mehr Gehör, die Dinge so darstellen wie es einer herschenden Agenda passt, als solche, die seriös mit Quellen umgehen.
Ein anderer dubioser, medial gerne herumgereichter Historiker ist Timothy Snider. Er war mir mal begegnet in der Sendung "Zeitzeichen" des WDR, wo er als "Holocaust Forscher" bezeichnet wurde. Merkwürdigerweise konnte er sich nur auf Englisch äußern und soweit ich weiß, kann er weder Deutsch noch Russisch. Das wäre etwa so, als wenn ein Mittelalterforscher kein Latein könnte und damit nicht eine einzige Quelle im Original lesen könnte. Solide Quellenarbeit und Quellenkritik ist für erfolgreiche Fund Raiser vielleicht nicht so wichtig wie eine schmissige, potentiellen Geldgebern gefällige Epik.
Als ergänzende Info zu Snyder sei auf eine Rezension seines Werkes "Bloodlands" hingewiesen, das zur Legitimierung des gegenwärtigen Geschichts-Revisionisumus u.a. des EU-Parlaments gerne herangezogen wird. Die Rezension stammt vom Historiker Jürgen Zarusky, dessen Forschungsschwerpunkte Nationalsozialismus und Stalinismus waren. Er merkt an, es gehe Snyder "nicht so sehr um die Untersuchung einer geschichtlichen Region als um die Etablierung eines nicht unproblematischen Narrativs." [1]
[1] J. Zarusky: "Timothy Snyders 'Bloodlands'." Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 2012,1 https://www.ifz-muenchen.de/heftarchiv/2012_1_1_zarusky.pdf