Nachdem ein Videoclip zu Aussagen von Frau Baerbock zu heftigen Kommentaren führte, erklärte das Auswärtige Amt, wir hätten es mit einem Fall von russischer Desinformation zu tun. Alles sei aus dem Kontext gerissen und verkürzt und sinnentstellend dargestellt worden.
T-online präsentierte den gesamten Wortlaut:
Nun ist Frau Baerbock ja nicht irgendwer, sondern die deutsche Außenministerin und deshalb werden ihre Aussagen auch international kommentiert.
So fasste der Kiev Independent auf Twitter ihren Auftritt am 31. August 2022 zusammen:
Baerbock:
Public opinion won't make Germany lift sanctions. Speaking at the Forum 2000 conference
in Prague, German Foreign Minister Annalena Baerbock assured Ukraine that Berlin would not lift sanctions even if protests against rising energy prices heat up.
Übersetzung
Baerbock:
Die öffentliche Meinung wird Deutschland nicht dazu bringen, die Sanktionen aufzuheben.
Auf dem Forum 2000 in Prag versicherte die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock der Ukraine, dass Berlin die Sanktionen nicht aufheben werde, selbst wenn die Proteste gegen steigende Energiepreise eskalieren würden.
Das Gleiche wiederholte der Kiev Independent am 31. August 2022 auch online.
https://kyivindependent.com/news-feed/baerbock-public-opinion-wont-make-germany-lift-sanctions
Der Kiev Independent hat seine Berichterstattung nicht korrigiert. Warum auch? Dessen Journalisten haben Frau Baerbock zugehört und die aus ihrer (ukrainischen) Sicht wichtigen Aussagen zusammengefasst, so wie das angeblich „sinnentstellende“ zusammengeschnittene Video, das von „pro-russischen Accounts“ gehypt worden sein soll.
(vgl:
)
Nun sind Gott sei Dank recht viele Menschen ein bisschen der englischen Sprache mächtig und können sich dank t-online selbst ein Bild von den ungeschnittenen und in Kontext gestellten Aussagen von Frau Baerbock machen.
Und in der Tat. Dem Kiev Independent ist jede Menge entgangen.
Frau Baerbock vergisst bei diesem Auftritt, dass sie sich als Regierungsmitglied nicht wie eine Privatperson äußern kann. In Prag stellt sie sich nicht als Teil eines Regierungsteams dar, als Vertreterin deutscher Politik. Sie vertritt ausschließlich sich selbst (Ich, Ich, Ich), und deshalb sagt sie auch unumwunden: Wenn sie den Menschen der Ukraine das Versprechen gibt, auf ihrer Seite zu stehen, solange es notwendig ist, dann wird sie das halten, egal was die Wähler in Deutschland denken.
Frau Baerbock redet von sich als einer „demokratisch gewählten Politikerin“, was völlig korrekt ist. Als Politikerin muss sie auch unpopuläre Entscheidungen treffen. Aber in einem solchen Fall hat sie die Pflicht, ihre Wählerinnen und Wähler von der Richtigkeit der Entscheidung zu überzeugen, „Menschen mitzunehmen“, wie das so schön heißt. Zu sagen, was Ihr denkt, interessiert mich nicht, ist nicht, was von einer demokratisch gewählten Politikerin verlangt wird, es ist schlicht autoritär.
Baerbocks Referenzbasis in Prag ist eindeutig auch nicht die deutsche Wählerschaft, sondern das ukrainische Volk. Jeder kann es hören, im kompletten Zusammenhang – die vielen Ichs, die sture Entschlossenheit. Frau Baerbock wechselte erst zum „Wir“, als es um die EU ging.
Aber Frau Baerbock hat uns noch einen anderen Moment der Klarheit geschenkt: Sie hat die steigenden Energiepreise in Deutschland in direkten Zusammenhang mit den Sanktionen gegen Russland gebracht. Warum waren diese Sanktionen notwendig: Wegen Putins Krieg gegen die Ukraine.
Der begann am 24. Februar 2022.
Die deutsche Entscheidung, Nordstream 2 auf Eis zu legen, fiel jedoch bereits am 22. Februar 2022. Wegen Putins Anerkennung der abtrünnigen Donbass-Gebiete. Heute wird das alles tapfer vermengt. Aber dadurch wird es nicht wahrhaftiger.
Frau Baerbock ist willens, solange zur Ukraine zu stehen, solange es eben sein muss. Sie findet den Krieg schrecklich und sieht mit gefalteten Händen zu.
Im Januar hatte sie noch der Süddeutschen Zeitung gesagt, dass es nichts Wichtigeres als Frieden gäbe. Das hätte sie von ihren Großeltern gelernt.
https://www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom/baerbock-sz/2507780
Hat sie nicht bemerkt, dass das Ergebnis der Friedensverhandlungen von Russland und der Ukraine vom April 2022 torpediert wurde? Die Grundzüge der Übereinkunft beschrieb jüngst Fiona Hill.
https://www.foreignaffairs.com/russian-federation/world-putin-wants-fiona-hill-angela-stent
Laut ukrainischer Medien war die Hauptbotschaft des Besuches von Boris Johnson in Kiew im April 2022: Selbst wenn die Ukraine zum Friedensschluss bereit wäre, der Westen ist es nicht.
https://www.pravda.com.ua/eng/news/2022/05/5/7344206/
Schlussendlich: Möge Frau Baerbock noch viele Gelegenheiten in dieser Wahlperiode haben, so zu reden, wie ihr der Schnabel gewachsen ist und auf diese Weise zu offenbaren, wer sie ist: Eine selbstverliebte politische Laienspielerin, die gar nicht merkt, was sie so sagt.
Weder der verkürzte noch der ganze Clip ändern an diesem Umstand irgendetwas.
Schlimm ist, dass sie nicht Irgendwer ist, sondern die deutsche Außenministerin, und sie alles über Bord warf, woran sie noch im Januar 2022 glaubte.
Da hat Frau Baerbock vermutlich unfreiwillig das zugegeben, was sonst von Politik und Presse so vehement geleugnet wird: den Zusammenhang zwischen Protesten/Unmut und deutscher/europäischer Sanktionspolitik.
Die Kreishandwerkerschaft Anhalt Dessau-Rosslau hat das längst begriffen und eine Petition für die Öffnung von Nordtstream 2 gestartet, die aus meiner Sicht JEDE Unterstützung verdient:
https://www.openpetition.de/petition/online/nordstream-2-statt-gasumlage#petition-main
Über dieses ICH bin ich auch gestolpert, nicht dass ich sie vorher für was anderes gehalten hätte als eine sich selbst erhöhende, eigentlich nicht ernst zu nehmende (wenn sie denn nicht an so entscheidender Stelle säße, deshalb um so schlimmer), unprofessionelle Person.
Es ist zum Schämen, dass Figuren wie sie oder von der Leyen, das Bild von Deutschland im Ausland prägen. Dagegen war ja Merkel ein Ausbund an Professionalität, wenn ich auch deren Politik meistens ablehnte, zuletzt besonders diese Coronahysterie.
Sie machte sich besonders unmöglich, als sie von dem Wehrmacht-Opa und dem Friedenskämpfer Joschka (Auschwitz verhindern und deshalb Serbien bombardieren!) schwadronierte, auf deren Schultern sie so als Krieg-für-den-Frieden-Fürstin stehe. Recht hatse, aber anders als sie meinte.
Es musste was raus, nun habe ich wieder ein wenig gezügelt.