2014 machte sich der Guardian auf den Weg, zu erkunden, was es mit dem Asow-Bataillon auf sich hat. Waren das nun Nazis? Der Guardian fand jede Menge Leute, die gerne erklärten, dass das Hakenkreuz, das sie trugen, lediglich das alte Symbol der Sonne sei. Die Wolfsangel, ihr Markenzeichen, stehe für N und I, die gekreuzt wurden und hieße nichts anderes als „nationale Idee“. Auf ukrainisch übersetzt: Національна ідея
Dumm ist nur, dass das slawische „N“ wie ein „H“ aussieht. Versuchen Sie also mal, das H mit einem I zu kreuzen, ob es ein Nazisymbol gebiert.
Sie seien nur „nationalsozialistisch“, der Holocaust aber hätte nicht stattgefunden, hörte der Guardian. Wenn der Krieg im Donbass vorbei ist, würden sie ihn nach Kiew tragen. Denn das Land brauche einen starken Mann. Das war 2014.
https://www.theguardian.com/world/2014/sep/10/azov-far-right-fighters-ukraine-neo-nazis
2017 hörte die DW ähnliches. Wozu neue Symbole erfinden, wenn doch schon alte da wären. Und wenn der Krieg im Donbass zu Ende sei, denn käme der Krieg nach Kiew.
Auch von der Erziehung der Kinder wurde gesprochen: Zwölf Merkmale, die einen Ukrainer ausmachen. Eines davon: Er hasst seine Feinde. So gesehen ist die Welt aktuell voller Ukrainer, gleichgültig welcher Nationalität, und das ist ein anschwellendes Problem.
2019 reiste ein Times-Korrespondent in die Ukraine, um sich dort unter den extremen Rechten umzuschauen. Ihn schockierte, wie viele es waren, wie groß der öffentliche Rückhalt. Sie galten als Kriegshelden.
Im Jahr 2019 sollte Asow auf die US-Terrorliste aufgenommen werden. Das aber scheiterte.
Im Mai 2022 kommentierte der Standard zu Asow. Nun ja, es ist extrem, aber klein, integriert in die Armee und praktisch einflusslos. Ein Körnchen Wahrheit werde aufgebauscht zu russischen Desinformationszwecken.
Andere Medien sagten: Es gäbe in der Ukraine keine Nazis und falls es doch mal den einen oder anderen gab, dann habe der/ die sich inzwischen auch gewandelt.
Nun wurden auch in unseren Medien ausführlich die Kämpfer von Mariupol präsentiert, zuletzt auch vier ihrer Ehefrauen. Die Asow-Kämpfer sitzen im Asow-Stahlwerk in Mariupol fest. Viele sollen verwundet sein. Die Tagesschau brachte sogar eine Art Homestory „Macht etwas, das diese Hölle aufhört“ mit der Ehefrau des Asow-Kommandeurs Propopenko, Kriegsname Radis und zweifach ausgezeichneten Krieger. Wäre nicht Krieg, wären sie bald im Urlaub in den Karpaten, würden Tiere aufziehen, aber nicht um sie zu töten, nur, um sie großzuziehen. Dazu präsentierte die Tagesschau ein persönliches Foto aus glücklicheren Zeiten: Zwei junge Menschen, liebend aneinandergeschmiegt.
https://www.tagesschau.de/ausland/europa/ukraine-mariupol-141.html
Die Tagesschau hätte ein Video dagegenstellen können: Propopenko 2019 in Aktion, der seinen Kämpfern versicherte, das Asow einflussreich sei und nunmehr überall und immer gewinnen würde.
Sie hätte auch den tweet von Asow vom März 2022 zitieren können, der geschrieben wurde, als die Asow-Leute noch dachten, sie würden gewinnen.
I remind everyone - we fight according to the rules of war and if the enemy raises his hands and lays down his arms he will be considered a prisoner of war. I appeal to the West, which with its policy of appeasing the aggressor, allowed this massacre in Ukraine.
Übersetzung
„Ich erinnere jeden- wir kämpfen nach den Kriegsregeln und wenn der Feind sich ergibt wird er als Kriegsgefangener behandelt. Ich appelliere an den Westen, dessen Politik, den Agressor zu beschwichtigen, dieses Massaker in der Ukraine möglich machte.“
Warum also heben die Asow-Soldaten im Stahlwerk von Mariupol, die die Kriegsregeln angeblich kennen, nicht ihre Hände, legen ihre Waffen nieder und ergeben sich? Schon um ihrer verwundeten Kameraden willen. Wären sie eine „Bruderschaft“, würden sie das tun.
So sind sie nichts anderes als Akteure und Propagandisten des Krieges, die inzwischen ihre Frauen einspannen, um der Gefangenschaft zu entkommen. Und die Tagesschau macht mit.
Alle Medien, die diese Leute zu Zeitzeugen des „Geschehens“ in Mariupol machen, sollten sich schämen, dass sie eine braune Horde so legitimieren.
Warum holt die Tagesschau wohl nicht den Franzosen Adrien Bocquet vor die Kamera?
Der war auf humanitärer Mission in Lviv und in Butscha. Er hat mit Asow-Kämpfern gesprochen, sie erlebt. Er hat ein langes Interview auf französisch bei Radio Sud gegeben.
Bocquet bezweifelt nicht, dass auch Russen Kriegsverbrechen in diesem Krieg begehen. Aber gesehen hat er die bei Asow-Leuten: Gefangenen Soldaten wurde „nur“ in die Knie geschossen, gefangenen Offizieren in den Kopf. Er habe Videos gemacht, sagte er.
Das Benehmen der Asow sei im Vergleich zu anderen ukrainischen Soldaten völlig anders gewesen, kaum zu erklären, sagte Bocquet, in einem anderen Interview. Sie wirkten stolz, wie SS-Leute.
(Minute 24, in französisch)
Wäre es möglich, dass die Asow-Kämpfer in Mariupol nur deshalb nicht kapitulieren wollen, weil ihnen der Prozess gemacht werden könnte, wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen?
Und was ist dem ukrainischen Präsidenten? Er könnte die Kapitulation anordnen. Warum tut er das nicht - aus Furcht vor Asow oder in der Hoffnung, auf diese Weise eine innenpolitische Bedrohung los zu werden?
Das sind alles Fragen, denen die deutschen Medien auf den Grund gehen könnten. Aber das nicht zu erwarten. Für die ist 2014 in der Ukraine, wie am 14. Mai 2022 im Deutschlandfunk von Frau Adler zu hören war, „der Krieg ausgebrochen“, so wie Waldbrände ausbrechen: eine Glasscherbe, eine Kippe und puff, steht der Wald wegen der Gluthitze in Flammen.
https://www.deutschlandfunk.de/aktuelle-lage-ukraine-dlf-393caf38-100.html
Wahr ist, dass es 2014 in der Ukraine einen Umsturz gegeben hat und die darauffolgende „Übergangsregierung“ der Ukraine den Krieg in den Donbass getragen hat, in Gestalt der Anti-Terror-Operation (ATO). Die „Rebellen“ des Donbass wollten sich mit dem Umsturz in Kiew nicht abfinden, und Kiew glaubte, deren Aufstand militärisch niederschlagen zu können. Leute wie Propopenko waren bei der ATO an vorderster Front dabei. Sie sollten richten, was der ukrainischen Armee damals so schwerfiel: Auf ihre russischsprachigen Landsleute zu schießen.
Und nein, liebe Frau Adler, die Freiwilligenverbände, so wie Dnjepr, Aidar und Asow, die dabei mitgemacht haben, haben sich nicht einfach formiert; Sie wurden von Oligarchen finanziert und waren Teil des ukrainischen Wahlkampfes 2014. Sie rekrutierten sich aus gewaltbereiten Elementen des Maidan und von Anfang an auch aus ausländischen Kämpfern, so wie später dem Schweden, den die Times 2019 interviewte und der hoffte, Asow würde ihn rekrutieren. Der träumte vor laufender Kamera von der Arierherrschaft. Sein Traum, bei Asow mitzumachen, ging laut Times in Erfüllung.
Die politische und mediale Begleitung der Kämpfe in der Ukraine ist eine gesteigerte Fortsetzung dessen, was seit den Maidanereignissen die Beurteilung der Ukraineereignisse im Westen mehrheitlich charakterisiert: Man sah nur, was man sehen wollte: die Demokratie- und Europabegeisterung vieler Ukrainerinnen und Ukrainer. Aber auf dem rechten Auge blieb man blind und damit auch blind für die Ängste der russischsprachigen Bevölkerung in der Ukraine nach dem Umsturz. Das waren eben die „Pro-Russen“, von Moskau aufgehetzt und unterstützt. So einfach. Oder wie Pispers einmal formulierte: „Wenn man weiß, wer der Böse ist, hat der Tag Struktur“.
https://at.wikimannia.org/Volker_Pispers#cite_note-2
Vorsichtshalber werden heute jedoch viele ukrainische Interviewpartner nur bis zum Hals eingeblendet, um den Deutschen die „alten Symbole“ zu ersparen, die, wenn sie in Deutschland auf einer Uniform angebracht wären, sehr wahrscheinlich zur Strafverfolgung führen würden.
Die dabei mitmachten und mitmachen, sind die Gleichen, die zu Julian Assange schweigen oder, wie die Tagesschau, eine Zusammenfassung des Geschehens um Assange abliefern, die nur peinlich wäre, ginge es nicht um sein Leben und um die Zukunft des Journalismus. Aber das, so die Tagesschau, denken ja nur Unterstützer von diesem Assange, der sich Jahre in der ecuadorianischen Botschaft „verschanzte“.
https://www.tagesschau.de/ausland/europa/assange-oberstes-gericht-grossbritannien-101.html
Es sind die Gleichen, die aus angeblicher Besorgnis um die Demokratie den Kampf gegen „Desinformation“ führen und dabei alles als Falschinformation oder russische Propaganda abqualifizieren, was nicht in ihre Glaubenswelt passt, oder in die von Geheimdiensten und anderen interessierten Kreisen.
Wem fällt in Deutschland auf, dass angeblich der BND ganz genau Bescheid weiß über die mutmaßlichen Kriegsverbrechen in Butscha, aber die Bundesaußenministerin bei ihrer (richtigen) Forderung nach Aufklärung niemals anbot, die deutschen geheimdienstlichen „Erkenntnisse“ international zu teilen?
So geht seit Jahren die Realität stückweise verloren, egal, worum es gerade geht. So wird auch die Hoffnung, dass aus der Tragödie in der Ukraine eine friedlichere Welt erwachsen könnte, regelrecht niedergeschwiegen.
Am 13. Mai rief der US-Verteidigungsminister Austin seinen russischen Amtskollegen an. Er sprach sich laut äußerst knapper Gesprächszusammenfassung für einen Waffenstillstand in der Ukraine aus und wollte offene Gesprächskanäle.
N-TV ersparte sich eine eigene Kommentierung und benutzte stattdessen einen tweet, in dem die Austin-Initiative als naiv darstellt wird. Weiß dieser Austin nicht, wie das im Kreml ankommt, fragte Charles Lister, ein einflussreicher amerikanischer Falke.
https://www.n-tv.de/politik/Austin-und-Schoigu-reden-erstmals-seit-Kriegsbeginn-article23331006.html
Tatsächlich lohnte es sich, über die Initiative des US-Verteidigungsministers nachzudenken. Ist der nur naiv? Fußte der Anruf auf einer Beurteilung des Kriegsgeschehens und/ oder etwaiger Eskalationsstufen, die möglicherweise anders ist, als in den allermeisten Medien dargestellt? Geht es um eine Atempause für die schwer geschundene ukrainische Armee? War er eine bewusste Irreführung?
Das Einzige, was man im Augenblick mit Sicherheit sagen kann, ist, dass bisher das Pentagon den Ukraine-Krieg nicht enthusiastisch begleitete und außerordentlich vorsichtig agierte, vor allem gegen die no-fly-zone. Es hat das State Department mehrfach in die Schranken gewiesen. Auch im Fall vom Butscha erklärte das Pentagon, keine eigenen Erkenntnisse zu mutmaßlichen russischen Kriegsverbrechen zu haben.
Andererseits planen die USA, der Ukraine mit nochmals 40 Mrd. Dollar beizustehen. Das ist mehr, als jährlich in Afghanistan investiert wurde, aber schließlich ist es den Augen des US-Establishments längst ihr Krieg. Und das WSJ titelte Ende April: Die USA sollten zeigen, dass sie einen Nuklearkrieg gewinnen können.
Der Glaube, der Krieg in der Ukraine, der zum Stellvertreterkrieg gegen Russland mutierte, wäre militärisch und ökonomisch zu gewinnen und der Glaube, ukrainische Nazis sagten die Wahrheit, sind nur zwei Seiten derselben Medaille. Auf dieser Medaille sind uralte Zeichen eingebrannt. Sie weisen den Weg ins Inferno.
Sie schreiben mit die best recherchierten Beiträge zu diesem unsäglichen Krieg und gehören zum Glück nicht zu den Wendehälsen, die Entspannungspolitik zu einer lästigen und schnell zu vergessenden Petitesse der Geschichte machen wollen. Vielen Dank, Frau Erler.
Danke, Petra!
Ich finde es unerträglich und in höchstem Maße skandalös, dass mir im ÖR der stellvertretende Kommandeur des Asow-Regiments, Swjatoslaw Palamar, erklären darf, wie die Menschen aus dem Mariupoler Stahlwerk herausgebracht wurden. Nämlich an Stricken. (ZDF heute vom 01.05.22)
https://www.zdf.de/nachrichten/heute-19-uhr/heute-19-uhr-vom-01-mai-2022-100.html
3 Tage später, am 04.05, erklärt die Auslandskorrespondentin des ZDF, Katrin Eigendorf, , warum die Asow-Leute sich nicht ergeben können : „...Wir haben das erlebt. Es sind schwere Kriegsverbrechen, die möglicherweise da drohen. Es sind ja auch schon Kämpfer exekutiert worden. Das wird ja im Moment alles untersucht, die Kriegsverbrechen, die vermeintlichen, die Russland hier begangen hat. Also meine Prognose ist, dass könnte für die sehr, sehr riskant werden.“
Darauf angesprochen, was sie zu der „im Sinne Putinscher Propaganda“ gestellten Frage, ob die Zivilisten dort freiwillig seien oder festgehalten und als menschliche Schutzschilde mißbraucht würden, meine, sagt Eigendorf, sie habe diese Behauptung von russischer Seite immer wieder gehört, aber nie bestätigt gefunden. Sie tut es als Propaganda und Desinformation ab, für die es keinerlei Beweise gebe. Dann: „Ich bin nicht vor Ort, aber ich kann mir das nicht vorstellen“.
Aha. Sie kann sich also sehr wohl vorstellen, dass russische Soldaten Kriegsverbrechen begehen, aber wenn es um ukrainische Asow-Kämpfer geht, versagt ihre kreative Vorstellungskraft.
Siehe ZDF heute vom 04.05.22, ca. ab 18:15
https://www.zdf.de/nachrichten/zdfheute-live/ukraine-stahlwerk-mariupol-video-100.html
Andere verlassen sich eher auf Fakten als die eigene Vorstellungskraft:
https://www.ostsachsen-tv.com/azow-die-ideologie-der-ss/
sowie
Andrij Melnyk und sein Faible für Stepan Bandera und Asow
https://www.nachdenkseiten.de/?p=83660
Wie man es auch dreht und wendet: Die Heuchelei der Medien ist allgegenwärtig. Geht es im Zusammenhang mit Nationalsozialismus um die Ukraine, wird abgewiegelt, beschwichtigt oder ganz und gar geschwiegen. Geht es um Deutschland, - wie jüngst beim Lagebericht über Rechtsextremisten in Sicherheitsbehörden - gibt man sich wachsam und besorgt.