Heute wird es kompliziert – aber es muss sein.
Im Impfstoff von Pfizer-Biontech sind zwei (Hilfs-)Stoffe enthalten, die niemals zuvor einem Arzneimittel beigefügt wurden: die funktionellen Lipide (Nanopartikel) ALC 0315 und ALC 0159.
Das führte kürzlich zu der Falschinformation, dass das verschwiegen worden wäre.
Richtig ist, dass bisher beide Stoffe ausweislich nur für Forschungszwecke eingesetzt wurden und nicht am/ im Menschen.
https://www.hoelzel-biotech.com/media/import/pdf_sds/MedChem_Express/HY-138170-100mg__SDS.pdf
Bei der bedingten Zulassung, aber auch bei der Kommunikation zu dem Impfstoff wurden diese Stoffe nicht verheimlicht. Ausführlich berichtete beispielsweise die Pharmazeutische Zeitung im April 21. https://www.pharmazeutische-zeitung.de/nanotechnologie-der-covid-19-vakzinen-124828/seite/alle/
Deshalb wollte die britische Zulassungsbehörde im Genehmigungsverfahren wissen, wie sich diese Stoffe im Organismus verteilen und abbauen. (Vergleiche S. 17 in
Danach scheint es so zu sein, dass sich diese Stoffe im ganzen Organismus (mit einem Schwerpunkt Leber) verteilen und schließlich – relativ langsam – entweder teilweise ausgeschieden werden oder sich abbauen/umwandeln. Das scheint das Ergebnis von Tests an Ratten, Mäusen, Affen und Menschen gewesen zu sein, wobei der Text an einer Stelle von einer Herstellerhypothese spricht. Offenbar scheinen diese Stoffe also nicht im Muskel zu verbleiben.
Auch der europäischen Arzneimittelagentur EMA war bei der bedingten Zulassung klar, dass es sich um neue Stoffe handelte, denn sie hat das deutlich angesprochen (vgl S. 23, https://www.ema.europa.eu/en/documents/assessment-report/comirnaty-epar-public-assessment-report_en.pdf)
und von den Herstellern ergänzende Informationen verlangt (vgl. ebenda, S. 38). Sie hat sich ebenfalls mit der Verteilung dieser Stoffe im Körper und deren Abbau/ bzw. Umwandlung beschäftigt, vgl ebenda ab S 45.
Es scheint jedoch, dass Pfizer/ Biontech ihren Informationspflichten zu beiden Stoffen, die bis Juli 2021 vorgelegt werden sollten, gegenüber der EMA nicht vollständig nachkamen, denn im Oktober konstatierte die EMA, dass zu beiden Stoffen nunmehr Zulassungsverfahren nach der Varianten-Verordnung (VO 1234/2008) beantragt worden seien und im Oktober dazu ergänzende Informationen von den Herstellern verlangt worden wären.
Die Prüfungen im Wissenschaftlichen Ausschuss dauern an (vgl S. 11, zu SOB 004 und 005, S. 13, Punkt 3.1 sowie S. 40 https://www.ema.europa.eu/en/documents/variation-report/comirnaty-h-c-5735-r-0046-epar-assessment-report-renewal_en.pdf
Damit behandelt die EMA diesen Vorgang nicht als geringfügig (wie das nach der Varianten-VO möglich wäre), denn sie prüft offenbar eingehend.
In der Pharmazeutischen Zeitung hieß es dazu:
„Bei dem funktionellen Lipid ALC-0315 handelt es sich um ein neuartiges tertiäres Amin, das bei physiologischem pH-Wert ungeladen vorliegt. Bei der Partikelherstellung unter sauren pH-Bedingungen dient es der Bindung der polyanionischen mRNA. Nach Applikation der LNP und deren zellulärer Aufnahme in das endosomale Zellkompartiment verleiht es den Nanopartikeln eine positive Ladung, was letztlich zu einer Translokation der mRNA in das Zytosol der Zelle führt. Somit ist dieses Lipid wesentlich für den erfolgreichen Wirkstofftransport verantwortlich.“
Aber es wäre zu einfach, sich nur auf diese beiden neuen Stoffe zu fokussieren. Für Impfstoffstabilität und Wirksamkeit sorgt eine Kombination von insgesamt 4 Lipiden (Pfizer/Biontech). (Moderna arbeitet teilweise mit anderen Lipiden.)
Warum verwendet Pfizer/ Biontech andere lipide Nanopartikel als Moderna (außer Cholesterol) , und warum haben sie sich in dem Zusammenhang für ALC 0315 und ALC 0159 entschlossen? Offenbar ist die Wahl der richtigen Mixtur eine hohe Kunst, denn noch gibt es zu wenig gesichertes Wissen über diese Stoffe.
https://www.nature.com/articles/s41578-021-00358-0
Allerdings verweist
https://www.hoelzel-biotech.com/media/import/pdf_sds/MedChem_Express/HY-138170-100mg__SDS.pdf
darauf, dass ALC 0315 aus einem Patent „extrahiert“ wurde, das Curevac 2019 für einen mRNA-Impfstoff angemeldet hatte (Stoff III-3).
Zweitens führt diese Frage zu einer anderen Studie, die sich im Schwerpunkt mit der Stabilität der Impfstoffe beschäftigte. Die machte in ihren Schlussfolgerungen deutlich, dass die Wechselwirkung zwischen den lipiden Nanopartikeln und der mRNA-Komponente im Impfstoff nicht komplett erforscht sei.
https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0378517321003914#s0001
2021 stellten Wissenschaftler auch die Frage, ob lipide Nanopartikel verantwortlich sein könnten für die seltene schwere Nebenwirkung einer Herzmuskelentzündung (nicht so selten in der Gruppe männlich, unter 40), weil ihnen aufgefallen war, dass neben den mRNA-Impfstoffen auch Novavax mit Lipiden arbeitet und es bei einer Novavax-Studie offenbar auch zu einer solchen seltenen Nebenwirkung kam, obwohl Novavax kein mRNA enthält.
Generell vermuteten die Studienautoren, dass es zu noch mehr Myokarditis-Fällen bei Booster-Impfungen kommen könnte.
https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2589936821000839?via%3Dihub
Diese wissenschaftlichen Fragestellungen, aber auch die ergänzenden Informationsanforderungen der EMA zeigen meines Erachtens ganz deutlich, dass wir es bei allen derzeit bedingt zugelassenen mRNA-Impfstoffen mit Substanzen zu tun haben, deren Bestandteile und Wirkungen im menschlichen Körper nicht völlig erforscht sind.
Das spricht nicht gegen ihren Einsatz im Notfall, es berechtigt aber auch nicht zur absolut vereinfachten Feststellung, man wüsste über diese Impfstoffe völlig Bescheid. Das ist nicht der Fall. Wir haben es bei mRNA-Impfstoffen mit einer revolutionären Technologie zu tun. Das impliziert allerdings, dass die experimentelle Phase des Lernens und des wissenschaftlichen Erkenntnisgewinns andauert und auch die Bedingungen der bedingten Zulassung durch die EMA sagen nichts anderes aus.
Hier erklärt der österreichische Pharmaverband, was der Sinn einer bedingten Zulassung ist
„Der derzeit oft verwendete Begriff „Notfallzulassung“ ist irreführend und eigentlich auch falsch. Denn in Wahrheit handelt es sich bei den Corona-Impfstoffen, für die eine Zulassung bei der Europäischen Zulassungsbehörde EMA beantragt wurde, nicht um eine Notfall-, sondern um eine bedingte Zulassung.
Eine solche „Conditional Marketing Authorisation“ (CMA) existiert prinzipiell schon länger und Hersteller suchen dann um diese Form der Zulassung an, wenn es einen ungedeckten medizinischen Bedarf dafür gibt, aber noch nicht alle notwendigen Daten für eine reguläre Zulassung vorhanden sind.“
Da noch nicht alle Daten vorliegen, werden Hersteller-Studien weitergeführt und alles überwacht. Das ist auch der Grund, warum wir in der Praxis immer mehr über die Impfstoffe lernen (wie etwa schwindende Effektivität, seltene unerwünschte schwere Nebenwirkungen, warum die Warnhinweise bei den Impfungen angepasst werden, warum es Einschränkungen nach Altersgruppen gab).
Wir wissen bei weitem noch nicht alles über die Impfstoffe.
In der aktuellen Debatte um Impfpflichten gibt es gar nicht so wenig Menschen, die die verfügbaren Impfungen gegen COVID mit langjährig erprobten und regulär zugelassenen Impfungen wie etwa gegen Masern vergleichen. Das deutet entweder auf ein sehr schlichtes Gemüt oder auf mangelnde Informiertheit. Auf jeden Fall werden Äpfel mit Birnen verglichen.
Wow! Danke. Ich las uns den Text laut vor. Danke, danke. Ich vermute, die Sache mit den herzmuskel und möglicherweise auch mit leberproblemen (was weiß man darüber) wird nicht soooo selten sein, wie immer behauptet wird. - Nun interessiert mich - aus persönlichen Gründen natürlich - wie es sich mit den Lipiden in Novavax verhält und was die Hersteller des Unternehmens Novavax zu deren Wirkung vermuten und sagen. Und wie ist es mit Valneva?