wily: hinterlistig, listig, gerissen, schlau, gewieft, verschlagen, ausgefuchst, raffiniert, abgefeimt
Dr. Fauci hat sich bei einer Anhörung im Kongress am 11.1. 2022 zu den Umständen geäußert, unter denen die Pandemiepolitik in den USA gemacht wird. Er meinte, die Regierung mache ihren Job gut, „unter den gegebenen Umständen“. Dann kam er auf das Virus zu sprechen:
„Es ist ein außergewöhnliches Virus. Etwas auch nur annähernd Vergleichbares haben wir in den letzten 100 Jahren nicht gesehen. Es ist ein sehr „wily“ Virus. Es hat alle immer wieder hereingelegt, ein ums andere Mal, die ganze Zeit. Von der Zeit, in der es zuerst auftauchte, bei Delta, jetzt Omikron, sehr unberechenbar, und wir machen das Beste, was wir tun können.“
Vgl ab 2h:48 min
https://www.youtube.com/watv=P7NwGbfP__Q
Das sagt einer der einflussreichsten Pandemiebekämpfer der Welt. Es gleicht einem Offenbarungseid: Fauci (vornehm verpackt im „alle“) hat das Virus-Ping-Pong überhaupt nicht verstanden.
Das Virus ist nicht gerissen, es kann niemanden reinlegen. Es ist kein Mensch. Es folgt nur seiner evolutionären Bestimmung. Es mutiert willkürlich, aber es reagiert auch auf Immundruck. Um sich vermehren zu können, drängt es danach, diesem Druck zu entgehen. Es mutiert.
Nein, lieber Herr Fauci, nicht das Virus ist so besonders; das Besondere im Vergleich der letzten 100 Jahre war unserer Reaktion auf das Virus. AHA-Regeln gehören zur Standardantwort auf eine pandemische Lage. Was bisher niemals gemacht wurde, war, inmitten einer Pandemie massenhaft zu impfen.
Zudem hielten die Impfstoffe nicht, was sie versprachen. Sie versperrten dem Virus nicht den Zugang zu menschlichen Wirten, sie erlaubten dem Virus, weiter von Wirt zu Wirt zu springen. Hinzu kam die weltweite Ungleichverteilung der Impfstoffe. So wurde schwupps, unter tätiger Mitwirkung der obersten Pandemiebekämpfer, dem Virus ein Spielfeld eröffnet, auf dem es die Regeln bestimmt.
Ein vernichtendes Urteil dieser Politik ist in Nature nachzulesen
https://www.nature.com/articles/d41586-021-03616-x
Wer aber waren „alle“, die nach Faucis Ansicht immer wieder vom Virus hereingelegt wurden. Nun, mehr oder minder alle, die keine Ahnung vom Virus Ping Pong haben. Und das sind anscheinend sehr viel mehr als gedacht.
In meinem Blogbeitrag zum Virus Ping Pong habe ich Wissenschaftler zitiert, die davon etwas verstanden (und mich etwas lehrten).
Aber, soweit ich mich erinnere, spielten diese Stimmen gar keine Rolle bei der Entwicklung der Corona-Strategie.
Warum haben sie sich nicht massiv in die wissenschaftliche und politische Diskussion eingeschaltet? Gab es diese Diskussion überhaupt?
Also habe ich meine Erinnerung bemüht und per Google nachgeholfen:
Seit der amerikanische Präsident Trump, beraten von Fauci, Operation „Warp Speed“ 2020 auf den Weg brachte, die die Impfstoffentwicklung massiv forcierte, galten Impfstoffe als die Lösung unserer pandemischen Probleme. Im Wahlkampf 2020 bekämpften die US-Demokraten noch Trumps Impfstoffvorstoß und schürten Skepsis vor diesen „experimentellen Impfstoffen“.
https://edition.cnn.com/2020/09/15/health/vaccine-not-end-coronavirus-pandemic/index.html
Nach dem Wahlsieg setzten sie sich an die Spitze der Impfbewegung. Pfizer hatte vorsichtigerweise den Erfolg der Impfstoffentwicklung erst kurz nach der US-Wahl verkündet. Also schien alles in Sack und Tüten. Happy End à la Hollywood – die rettenden Vakzine waren gefunden!
Wer hat damals nicht aufgeatmet?
Sofort setzte der instinktive Reflex des „Rette sich, wer kann“ ein. Gleichzeitig eröffneten diese neuen Impfstoffe ganz neue Aussichten, auch für Deutschland, nun ganz vorne mitzuspielen bei einer glänzenden Zukunftstechnologie. Damit die politische Rivalität nicht ins Hintertreffen geriet, beklagte man die „Impfstoffdiplomatie“ des politischen Gegners. Als Wohlfühlfaktor fielen vom Tisch der Reichen ein paar Impfstoff-Brosamen für die Ärmsten des Globus ab. Das Raubtier Mensch bleckte seine Zähne.
Im März 2021 ging der Belgier Geert Vanden Bossche an die Öffentlichkeit. Er schrieb einen offenen Brief an die WHO (veröffentlicht durch correctiv im April).
Vanden Bossche läutete alle Alarmglocken, er forderte eine wissenschaftliche Debatte zu den Wirkungen von Massenimpfungen und setzte ein Endzeitszenario in die Welt: die Geburt einer impfresistenten Virus-Variante.
Es gab zur Hypothese von Vanden Bossche einen ausgewogenen Artikel bei Heise, in dem das Für und Wider beleuchtet und auch berichtet wurde, das RKI hätte keine Zeit, sich mit dieser Einzelmeinung zu befassen. Kekule wurde auch zitiert, der Vandeen Bossche in die Nähe der Impfgegner rückte. https://www.heise.de/tp/features/Covid-19-Massenimpfung-als-Horrorszenario-6000054.html,
In sozialen Medien, glaubt man correctiv, schlugen die Thesen von Vanden Bossche hohe Wellen. Deshalb gab correctiv im April einen Faktencheck heraus. Urteil: Unbewiesen.
Zu den befragten Wissenschaftlern gehörte erstens Ralf Bartenschlager, Präsident der Gesellschaft für Virologie. Der äußerte zunächst ganz grundsätzlich: „Es wird immer wieder der Eindruck erweckt, das Virus könne denken.“
(Anm.: Liebe Grüße, Dr. Fauci!)
Gleichzeitig war er der Ansicht, das Virus habe nur begrenzte Mutationsfähigkeiten und verimpfte Immunität wäre sowieso das Beste. Marco Binder, Leiter der Forschungsgruppe „Dynamik der Virusreplikation und der angeborenen antiviralen Immunantwort am Deutschen Krebsforschungszentrum sah das Virus längst auf dem “Optimum seiner Entwicklung” angekommen.
(Anm.: Gut, dass das Virus nicht denken kann, kein Mensch ist, sonst würde es schallend lachen.)
Auch Carsten Watzl, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, ließ laut correctiv wissen, dass die Impfungen sogar die Entstehung von neuen Mutationen verhinderten. Vandeen Bossches These, dass das Impfen zu gefährlicheren Mutationen führe, sei somit falsch.
Correctiv befragte ebenfalls Björn Meyer vom Institut Pasteur in Paris. Der war ein bisschen vorsichtiger und correctiv schrieb:
„Die Impfungen sorgten dafür, dass Menschen eine starke Immunität entwickelten, so sei dann auch „die Hürde für Viren zu hoch, diese durch Mutationen zu überkommen.“ Mutationen seien dann zu erwarten, wenn die Immunität „eher schwach“ sei und nicht ausreiche, um „das Virus zu neutralisieren“.
Correctiv fügte hinzu: “Darüber, dass eine zu schwache Immunantwort oder zu schwache Impfstoffe eine Immunflucht begünstigen könnten, berichtete im Januar auch die Deutsche Welle.““
Dann entdeckte die bayrische AFD Vanden Bossche und befragte die Landesregierung. Die äußerte sich am 18.6. 21 zur Kritik von Vanden Bossche, man dürfe nicht in eine Pandemie hineinimpfen, wie folgt: „Eine wissenschaftlich begründete Lehrmeinung, dass in eine Pandemie nicht hineingeimpft werden soll, ist nicht bekannt. Vollständig geimpfte Personen geben nach dem gegenwärtigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse im Falle einer Infektion das Coronavirus kaum weiter und spielen nach Einschätzung des RKI keine wesentliche Rolle bei der Verbreitung einer COVID-19-Erkrankung.“
(Anm.: Die Staatsregierung zitierte das RKI korrekt. Das RKI lag leider daneben.)
Spätestens durch das Interesse der AFD war Vanden Bossche praktisch politisch „verbrannt“ – nicht mehr nur ein „Dissident“ oder „Außenseiter“ (Heise), sondern ein Liebling des rechten Rands. Da will keiner stehen, der bei Trost ist. Aber warum hat man die von Vandeen Bossche aufgeworfenen wissenschaftlichen Fragestellungen eigentlich der AFD überlassen?
Das stimmt nicht ganz: Das Schweizer Medienportal Medinside konfrontierte jüngst zwei Behörden mit Vanden Bossches Thesen. Es erhielt von einer eine Stellungnahme und dokumentierte alles.
https://www.medinside.ch/de/post/omikron-thesen-von-geert-vanden-bossche
Offenbar war im Mai 21 auch ein französischer Wissenschaftler und Nobelpreisträger zutiefst besorgt angesichts der Massenimpfungen. Das treibe die Entwicklung von Varianten, sei ein Schnitzer von historischem Ausmaß und viele wüßten das auch, soll er gesagt haben.
Etwa zur gleichen Zeit, zu der Vanden Bossche sich exponierte, brachte Nature einen langen Artikel heraus. Der ging der Frage nach, ob eine Herdenimmunität überhaupt erreichbar wäre. Dieser lesenswerte Artikel schlug gar keine Wellen. Die Forscherinnen und Forscher, die die Autorin zu Wort kommen ließ, surften allesamt nicht auf einer Woge der Impfeuphorie, die schnellsten aus der Pandemie tragen würde.
(Anm.: krümelkackerische Bedenkenträger?)
Wie bildet sich heute wissenschaftlicher Erkenntnisgewinn heraus? Im unerschütterlichen Glauben, das Virus sei schon optimal aufgestellt oder im Zweifel daran? Durch Faktenchecks und den Rückgriff auf das, was „anerkannte Experten“ und Institutionen verkünden, oder in einer lebendigen Debatte, die alles kritisch prüft?
Mich erinnern die gegenwärtigen „Diskussions“methoden an Karl May (Der Häuptling hat gesprochen, hugh).
So, wie es scheint, ist die wissenschaftliche und politische Diskussion (fast) erledigt.
Bisher war wily Virus schuld. Es hielt sich nicht an den Plan, dieses Biest, und hat in Gestalt von Omikron den Immunschutz schon fast geknackt.
Der neue deutsche Plan: Mittels Impfpflicht sollen sich alle vorsorglich auf die Herbstwelle des Jahres 2022 vorbereiten. Und wily Virus?
Nun, vielleicht hat wily Virus es ja satt, wily zu sein, zeigt nunmehr slyly (verschmitzt) nur noch dem alten Darwin den Mittelfinger und wird sich demnächst um die Affenbrotbäume kümmern, weit weg, auf dem Planeten des Kleinen Prinzen…
PS: Ich entschuldige mich, dass ich in der ersten Textversion den Namen des belgischen Wissenschaftlers durchweg falsch geschrieben habe - habe es korrigiert. Danke für den Hinweis, liebe Angie!