Narrenfreiheit im Feuilleton
Was eine Exilrussin über "Putins Wunderwaffen" in der Süddeutschen Zeitung erzählte
„Streite nie mit Narren – sie ziehen dich auf ihr Niveau herunter und schlagen dich mit Erfahrung.“ Mark Twain
In der Süddeutschen Zeitung vom 4. November 2025 schrieb die russischstämmige Grafikerin und Autorin Irina Rastorgueva, die seit 2017 in Deutschland lebt, einen längeren Artikel über „Putins Wunderwaffen“.
Rastorgueva wurde im März mit dem Sachbuchpreis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet. Für ihr neues Buch „Pop-Up-Propaganda.“
https://www.swr.de/kultur/literatur/irina-rastorgueva-pop-up-propaganda-epikrise-der-russischen-selbstvergiftung-100.html
In ihrem ersten Werk (2022) ging es auch um Russland. Es sei ein „Land ohne Inhalt“ (laut Wikipedia).
Ich war mir nicht ganz sicher, ob ich mit ihr streiten sollte.
Die russischen Ankündigungen neuer Waffen erinnerten die Autorin an die Nazi-Propaganda über „Wunderwaffen“.
In keiner der offiziellen russischen Verlautbarungen wurde so gesprochen, als gäbe es die eine ultimative Waffe. Sehr deutlich wurde allerdings seit 2018 immer wieder gemacht: Wir haben uns nicht auf dem Hintern ausgeruht, als der ABM- und der INF-Vertrag gekündigt wurden. Wir stehen nicht mit leeren Händen da. Wir sind zum Reden bereit. Aber wenn nötig, können und werden wir uns verteidigen.
Rastorgueva ließ die Leser der Süddeutschen wissen: Alles nur „leere Propaganda“, eine „Werbung für Militärtechnologie, die nie im Krieg eingesetzt wurde, nie in Dienst gestellt wurde und von der manchmal nicht einmal bekannt ist, wie sie aussieht.“
Das war ein sehr merkwürdiger Text. Das Letzte, was sich jemand bei Verstand wünschen kann, ist, dass die seit 2018 vorgestellten neuen russischen Waffen, die Rastorgueva zerpflückt, in einem Krieg großflächig eingesetzt werden. Es wäre der Dritte Weltkrieg. Der letzte, den die Menschheit als Zivilisation führt.
Es sei denn, man hält alles, so wie Rastorgueva, für Schimären.
Die „Oreschnik“, was auch im Artikel erwähnt wird, wurde einmal testweise im Ukraine-Krieg eingesetzt. Offenbar mit verheerenden Folgen, denn die Ukraine hat niemals die angerichteten Schäden mit Videos oder Fotos transparent gemacht. Damals schrieb die Moscow Times über die propagandistische Ausbeutung dieses Angriffs durch die russische Seite und kam zu dem Schluss: „Russland verfügt jedoch nicht über einen nennenswerten Vorrat an Oreschnik-Systemen, und Putin selbst gab zu, dass der Angriff auf Dnipro ein Test war.“
Das war hundert Prozent korrekt. Damals.
Im Fall der „Oreschnik“ konzentrierte sich Rastorgueva auf die Frage, welche Rolle sie in Sapad-25, dem gemeinsamen Militärmanöver der Russischen Föderation und Belarus spielte und verwies auf widersprüchliche Aussagen.
An diesem Manöver nahmen Beobachter aus drei Nato-Staaten (Türkei, Ungarn, USA) sowie aus 20 weiteren Staaten teil. Dass Nato-Vertreter anwesend waren, sollte Transparenz schaffen und konfliktmildernd wirken. Oreschniks waren erklärtermaßen Teil dieses Manövers.
https://tass.com/defense/2016779
sowie
https://euromaidanpress.com/2025/09/17/us-military-officers-attend-zapad-2025-exercises-in-belarus-for-first-time-since-full-scale-invasion/
N-TV teilte am 28. Oktober mit, dass eine Stationierung von Oreschniks in Belarus vor Ende 2025 erfolgen solle.
https://www.n-tv.de/politik/Lukaschenko-will-russische-Oreschnik-Raketen-stationieren-article26126038.html
Karma ist bekanntlich eine „bitch“, wie es so schön im Internet heißt.
Da schreibt man einen Artikel, die Redaktion hat ihn schon, und dann stimmt Kiew einen Lobgesang auf die eigenen Spezialkräfte an: In einer Spezialoperation sei 2024, als noch niemand über die Oreschniks sprach, ein ganzes Abschusssystem für Oreschniks in Russland zerstört worden. Es sei eine tolle Operation gewesen.
Das vermeldete auch die Kyiv Post (31. Oktober). Die Kyiv Post notierte ebenfalls, dass Selenskyj den Westen vor dieser Waffe gewarnt habe.
https://www.kyivpost.com/post/63380
Wozu etwas zerstören, was doch gar nichts taugt? Lügt Kiew?
Aber es kam noch schlimmer für unsere Autorin, die fest davon überzeugt ist, dass Russland gar kein U-Boot hat, das den „Poseidon“ tragen könnte.
Russland verfügt leider offenbar inzwischen über eine neue Atom-U-Boot-Klasse, die „Chabarowsk“.
Die indische Meldung datierte vom 2. November 2025.
https://www.newsonair.gov.in/russia-launches-new-nuclear-submarine-khabarovsk-capable-of-carrying-poseidon-drone/
Von der „Wunderwaffel“, dem Sturmvogel, (vielleicht war das aber auch nur ein redaktioneller Fehler), hielt die Autorin auch nichts.
Die sei „eine gewöhnliche Unterschall-Flügelrakete mit einem Antrieb, der eine leicht aufzuspürende radioaktive Spur“ hinterlässt.
Mit anderen Worten: Diese erzblöden Russen bauen die „dümmste Waffe“, die man sich nur denken kann (Ingram, englischer Experte gegenüber Sun). So eine Art Schaufel mit Atomantrieb, die elektronische Steuerung aus ausgebauten Waschmaschinen-Chips, als Patchwork zusammengeflickt….
Niemand fand bisher eine radioaktive Spur.
Aber, wenn man das Design einer Sojus-Kapsel mit dem einer Apollo vergleicht, weiß man schließlich auch schon alles.
Oder?
Die Sojus-Rakete fliegt noch. Bis dato ist sie laut Wikipedia die zuverlässigste Trägerrakete der Welt.
Der Markt habe auf dieses Fiasko (Sturmvogel) reagiert, schrieb Rastorgueva. Der Börsenkurs in Moskau sei erstmals seit 2024 unter 2.500 Punkte abgestürzt.
Der Sturmvogel wurde am 26. Oktober, 9.05 Moskauer Ortszeit enthüllt, an einem Sonntag.
http://www.en.kremlin.ru/events/president/news/78301
Der erwähnte Börsen-Absturz erfolgte am Montag, 27.10. 2025.
Zwischen beiden Ereignissen eine Korrelation zu produzieren, ist kühn. Warum stürzte die Moskauer Börse im Dezember vergangenen Jahres noch tiefer ab? Warum erholte sich der Kurs nach dem 27. Oktober wieder?
https://de.tradingeconomics.com/russia/stock-market
Zum Sturmvogel schrieb ich bereits das Nötigste. Wir haben es mit Wissenschaft zu tun, nicht mit Voodoo. Ich finde es tragisch, dass menschliche Intelligenz im Zeitalter des Wettrüstens zunächst in Vernichtungswaffen investiert wird statt in zivilisatorische Zukunft.
Unbedingt erwähnen sollte ich auch das Geschenk, das der „Putin Vertraute“, Kirill Dmitrijew, die „wirtschaftspolitische Geheimwaffe Russlands“ (Frankfurter Rundschau) nach Washington geschleppt hat: Pralinen mit dem Konterfei von Putin auf der Schachtel, jede einzelne in Putins markige Sprüche eingewickelt. Er machte das auf seinem Telegram-Kanal öffentlich. Rastorgueva äußerte sich auch dazu.
Inzwischen soll sich diese Pralinenschachtel in Russland wie warme Semmeln verkaufen.
Dmitrijew scheint in Stanford, Harvard und bei Goldman Sachs einiges gelernt zu haben.
Dmitrijew kündigte seinen Besuch ebenfalls auf X an. In dem Fall mit großer Ernsthaftigkeit. Russland wolle gute Beziehungen mit den USA. (Erpressen lasse es sich nicht, sagte er später in Washington).
https://x.com/kadmitriev/status/1981748150378360964
Daraufhin schnappten NAFO-Aktivisten auf X zu. Sofort.
Ein englischer Kommentar von Grim Creaper@OrcReaper (Anmerkung: Der Name ist Programm) lautete: „Russland ist für die Welt nicht lebenswichtig, das war es nie. Tatsächlich war es die Hauptursache für viele ihrer Probleme. Je früher es verschwindet, desto besser. Kein Russland, keine Probleme.“
Man stelle sich vor, dieser Mensch würde so über Deutschland denken.
In einigen wichtigen Medien spielte der Grund des US-Besuchs von Dmitrijew eine Rolle. Der ist von den USA sanktioniert, aber sie lassen ihn offenbar einreisen.
Kam er als „russischer Propagandist“, wie der US-Finanzminister glaubte? (Reuters).
Fürchtet Russland den ökonomischen Druck aufgrund der US-Sanktionen? (New York Post)
Die FT gab einen guten Überblick über die verschiedenen Sichtweisen auf die aktuelle politische Lage.
https://www.ft.com/content/d7bc8807-1cd7-411d-848d-9d4950b00165
US-Präsident Trump erwähnte im Interview mit „60 Minuten“ (veröffentlicht am 2. November), dass er mit Russland und China über nukleare Abrüstung gesprochen habe. Das ist ihm wichtig. „Denuklearisierung ist eine sehr große Sache. Wir haben genug Atomwaffen, um die Welt 150 Mal in die Luft zu jagen.“
Trump hoffte, zusammen mit dem russischen Präsidenten den Krieg in der Ukraine zu beenden. Er wirkte ratlos. Viele handelspolitische Druckpunkte habe er nicht. Es sei nicht sein Krieg.
Im Augenblick ist Trump wieder der Meinung, dass der Ukraine-Krieg auf dem Schlachtfeld ausgefochten werden soll. Möglichst schnell. Seine Umfragewerte sinken. Er erfüllt seine Wahlversprechen nicht.
Am Schlussteil des erwähnten Artikels in der Süddeutschen will ich gar nicht deuteln. Er sprach für sich selbst: „So werden die Russen ein kurzes, wenig aktives und teueres Leben führen (Anmerkung: es ging zuvor im Artikel um Kürzungen im gleichnamigen Programm), durchdrungen von einem Gefühl des Stolzes auf eine kostspielige Wunderwaffel, die endlos über der Erde schwebt.“
Zuvor wusste Rastorgueva zu berichten, was man so im Internet sage: „In Russland gibt es einen Präsidenten mit unbegrenzter Amtszeit, Raketen mit unbegrenzter Reichweite und leider auch einen Teil der Bevölkerung mit unbegrenzter Dummheit.“
Laut levada.ru lag die Zustimmungsrate zu Putin im September 2025 bei 87%, die Ablehnungsrate bei 11%.
Mich beschlich ein Gefühl großer Dankbarkeit gegenüber der Süddeutschen, die der Autorin im Feuilleton so großzügig Gelegenheit gab, ungeprüft alles aufzuschreiben, was ihr gerade in den Sinn kam und bei der Gelegenheit auch zu erhellen, was sie vom Großteil ihrer ehemaligen Landsleute hält: Gar nichts.
So etwas hört und liest man heutzutage gerne in Deutschland.
Dagegen schaut nicht mehr genau hin, wem Selenskyj aktuell Orden verleiht und das auch noch auf X zur Schau stellte: Nazis. Der Patch der selbsternannten Kämpfer für die „Freiheit“ (Swoboda) ist eindeutig. Die Verwendung dieses Symbols ist in Deutschland verboten. Aus gutem Grund.
https://x.com/ZelenskyyUa/status/1985695686365421991/photo/4
Admiral Dragone, Vorsitzender des Nato-Militärausschusses, erklärte am 3. November, Putin habe in der Ukraine schon „strategisch verloren“.
https://english.nv.ua/nation/nato-says-putin-suffers-strategic-defeat-in-ukraine-war-50557592.html#goog_rewarded
Der 23jährige ukrainische Soldat, noch fast ein halbes Kind, der in einem Video auf Russisch um Hilfe bettelt und weint, weil er nicht sterben will, weiß das nur noch nicht.
Oder ist auch das nur russische Propaganda, verbreitet von einem US-Oberst und einem norwegischen Professor? Das internationale „Team Russia“?
(Für den Kontext: ab Minute 16:16)
Auch ich lerne immer wieder gerne dazu. Damit ich nicht mit Narren diskutiere.

Und jetzt hat auch noch die NATO den Internationalen Preis des Westfälischen Friedens erhalten.
Der Wahnsinn hat Methode und Orwell kichert in seinem Grab.
Sorge macht mir, dass die Sichtweise dieser Dame ev. die Sichtweise im U.S.-amerikanischen "Sicherheitsapparat" widerspiegelt. Dummheit, gepaart mit Ignoranz und einer ordentlichen Prise Hybris, die Job-Beschreibung eines Pete H., selbsternannter Secretary of War. Denn wenn das stimmt und die wirklich glauben "Russia is weak and Putin is bluffing" könnten sie versucht sein, einen Enthauptungsschlag gegen Russland zu versuchen.