Während viele derzeit über Omicron spekulieren (die Datenlage ist noch viel zu dünn, um etwas genau zu wissen), geht es mir heute um das Schicksal der Delta-Variante in Japan.
Seit September 21 hat Japan, nach einer steil ansteigenden Infektionswelle im August, außerordentlich niedrige Infektionszahlen.
https://www.worldometers.info/coronavirus/country/japan/#graph-cases-daily
Japan hat eine hohe Impfquote; die Bevölkerung hält sich an die Hygieneregeln; aufgrund der Insellage ist es einfacher, den Reiseverkehr streng zu kontrollieren.
Japanische Forscher aber wollten genauer erkunden, warum das Land im Vergleich zu anderen Staaten derzeit in einer so günstigen Lage ist.
(Omicron ist inzwischen erstmals auch in Japan nachgewiesen worden.)
Am 8. November 21 berichtete die Japan Times von der Hypothese des japanischen Forschers Professor Ituro Inoue vom Nationalen Institut für Genetik. Er glaubt auf der Grundlage seiner Forschungen, die Deltavariante hätte sich durch Mutationen am Protein NSP14 selbst beschädigt. Dieses Virusprotein regelt die exakte Vervielfältigung des Virus. Wäre die Delta-Variante, so Inoue, noch robust („well and alive“), dann gäbe es in Japan mehr Fälle.
https://www.japantimes.co.jp/news/2021/11/18/national/delta-variant-self-destruction-theory/
Am 23. November 21 griff der NZHerald die japanische Berichterstattung auf und zitierte im Artikel ebenfalls Professor Takeshi Urano von der Medizinischen Fakultät der Shimane Universität, der die Hypothese seines Kollegen vor allem in Hinblick auf die medizinische Behandlung von COVID-Erkrankungen kommentierte.
Urano sagte, dass Studien gezeigt hätten, dass ein beschädigtes NSP14 Protein die Replikationsfähigkeit von Viren empfindlich stört, so dass das ein Faktor für die rapide Verminderung von Infektionsfällen sein könnte… Chemische Stoffe, die dieses Protein zügeln könnten, könnten vielversprechende Medizin sein, deren Entwicklung schon auf dem Weg ist.
Originalzitat:
"Studies have shown that a virus with a crippled nsp14 has a significantly reduced ability to replicate, so this can be one factor behind the rapid decline in new cases. The nsp14 is virus-derived, and the chemical agent to curb this protein could become a promising medicine, with development already underway."
Die Tagesschau streifte ebenfalls das Thema, verwies auf die Hypothese von Inoue und zitierte dann den „japanischen Drosten“, der fest davon ausgehe, dass die japanischen Zahlen wieder steigen werden.
https://www.tagesschau.de/ausland/asien/japan-impfkampagne-101.html
Mir scheint, die Tagesschau machte es sich zu einfach. Prof Inoue lieferte mit seiner Hypothese einen weiteren Denkanstoß zur Frage, ob der Mechanismus, mit dem sich das Virus fehlerfrei vervielfältigen kann, störbar ist und also therapeutisch angegriffen werden kann. Im April 21 erschien dazu eine Studie des irakischen Wissenschaftlers M. Tahir, der exakt diesen Vorschlag machte.
http://europepmc.org/article/MED/33837972
Wenn man genauer sucht, findet man weitere Studien, die sich dieser Frage zuwendeten.
Hat Prof. Urano Recht hat, dann sind entsprechende Therapeutika bereits in der Entwicklung. Das ist grundsätzlich eine großartige Nachricht.
Wir wissen zwar noch nicht, welche Rolle Omicron im globalen Pandemieverlauf spielen wird. Aber gewiss ist, auch Omicron verfügt über das Protein NSP14.
Zusatz:
Meines Erachtens gibt auch die aktuelle Entwicklung in Indien, das aktuell trotz seiner geringen Impfquote relativ niedrige Inzidenzen hat, Anlass, genau zu untersuchen, welche Faktoren dafür verantwortlich sein könnten.